Der eine glaubt an sich, der nächste an die Liebe - und viele auch an Gott. Glauben scheint ein menschliches Grundbedürfnis zu sein. Die Jugend Akademie Neu Allermöhe und die Junge Akademie für Zukunftsfragen haben in einem Projekt 150 Hamburgern die Glaubensfrage gestellt. Diesmal kommentiert Stephan Loos, Direktor der Katholischen Akademie Hamburg, zwei der Antworten

"Ich glaube an meinen inneren Schweinehund." Jan-Hendrik, 43

Kommentar Stephan Loos: Nein, an meinen Schweinehund glaube ich nicht - aber wir haben ein gutes Verhältnis. Vielleicht, weil ich katholisch bin. Die Leistungsethik war immer eine eher protestantische Errungenschaft. Das meinte zumindest der Soziologe Max Weber am Anfang des 20. Jahrhunderts. Er fragte sich, warum der Kapitalismus besonders in Westeuropa und Nordamerika entstanden und dort so erfolgreich war. Weber war der Überzeugung, dass die protestantische Ethik, insbesondere die calvinistischer Prägung, dafür die entscheidende Voraussetzung war. Denn der Mensch ist nicht mehr nur auf das Jenseits ausgerichtet, sondern hat im Hier und Jetzt seine innerweltlichen Pflichten zu erfüllen. Nur so kann er Gott wohl gefallen. Arbeit statt Müßiggang lautet die Devise. Gut und effizient zu arbeiten, ist in dieser Leistungsethik eine besondere Form des Gottesdienstes. Vergnügen, Spiel und Schlaf hingegen gilt es zu widerstehen. Außer man ist Katholik. Denn in der katholischen Tradition gehört zur Arbeit immer auch die Muße: ora et labora. Und wem das Nichtstun nicht prinzipiell fremd oder gar sündhaft erscheint, der wird für seinen inneren Schweinehund eher einen Hundekeks bereithalten statt ihn an die Leine zu nehmen. Wenn ich ab und an doch gegen meinen Schweinehund ankämpfe, stelle ich fest, wie protestantisch ich als Katholik bin. Dann muss ich schmunzeln über mich, meinen Schweinehund und Klischees, die dazu da sind, dass man mit ihnen spielt und sie aufbricht.

"Ich glaube daran, dass wir nicht ohne Grund auf der Welt sind und dass es jemanden gibt, der uns geschaffen hat." Lara, 17

Kommentar Stephan Loos: Diese Antwort ist ein Bekenntnis - und kein selbstverständliches. Denn schon der erste Teil der Äußerung provoziert die Nachfrage: was ist der Grund, dessentwegen wir auf der Welt sind? Anders gefragt: "Wozu sind wir auf Erden?" So oder ähnlich lautet die Eingangsfrage traditioneller katholischer Katechismen, aber auch Luther und Calvin haben sich damit beschäftigt. Aber gilt die alte Katechismusfrage noch heute? Und vor allem ihre Antwort: "Wir sind auf Erden, um Gott zu erkennen, ihn zu lieben, ihm zu dienen und dadurch einst das ewige Leben zu erlangen."?

Wohl schwerlich. Denn wie und wo können wir heute Gott erkennen und was heißt ihn zu lieben und ihm zu dienen? Müsste dies nicht zumindest ergänzt werden um eine zweite Perspektive, die nicht nur Gott und das Göttliche im Blick hat, sondern den Menschen und das Menschliche? Muss nicht - mit Hans Küng gefragt - neben das "Gott erkennen, lieben, dienen", heute auch des Menschen und des Mitmenschen Selbstverwirklichung, Selbstentfaltung, Humanisierung treten? Und kommt das ewige Leben nicht zu spät, wenn wir es einst erlangen?

So ergeben sich aus einer beeindruckenden Antwort unzählige bohrende Fragen. Wie sehen heutige Antworten aus? Vielleicht liefert das Gedicht von Angelus Silesius eine:

Die Ros' ist ohn warum,

sie blühet weil sie blühet.

Sie acht't nicht ihrer selbst,

fragt nicht, ob man sie siehet.