Einmal Puccini: “Manon Lescaut“ in neuer Inszenierung

Wenn es um die ganz großen Gefühle geht, halten sich Norddeutsche lieber zurück. Kein Wunder, dass die Musik eines Giacomo Puccini, der der italienischen Oper den Weg ins 20. Jahrhundert bereitete, ob seiner überbordenden Emotionalität hierzulande immer mal als Kitsch belächelt wurde. Denn was man abtun kann, darauf braucht man sich nicht einzulassen.

Eine Frau lässt um der Liebe willen Reichtum und materielle Sicherheit zurück: Das ist auf den ersten Blick eine ziemlich unhanseatische Idee. Doch wenn die Staatsoper Puccinis frühe Oper "Manon Lescaut" neu herausbringt, knüpft sie an eine große Tradition an. Schließlich kam das "Dramma lirico" noch 1893, im Jahr der Uraufführung, nach Hamburg, damals treulich in deutscher Übersetzung. Philipp Himmelmanns Lesart des Stücks, die am 1. April Premiere feiert, wird die sechste Inszenierung im Haus an der Dammtorstraße. Die musikalische Leitung hat Marco Amiliato, in der Titelrolle ist die Sopranistin Norma Fantini zu erleben, die sich mit großer, beweglicher Stimme schon an illustren Häusern als Puccini-Interpretin empfohlen hat.

Für ihre Darstellung wird sie jede Faser stimmlicher Intensität brauchen. Denn Manon, sie ist erst zarte 18, leidet von Anfang bis Ende in einer Intensität, über die wir uns nur deshalb nicht wundern, weil die Musik jede Arabeske, jeden Schnörkel beglaubigt. Es fängt damit an, dass ihr Vater das Mädchen ins Kloster schicken will. Doch kaum ist Manon während der Reise dorthin mit ihrem Bruder auf einem Marktplatz der Postkutsche entstiegen, vergucken sich gleich mehrere Männer in sie, darunter ein königlicher Steuerpächter - und ein Student, jener Des Grieux, mit dem Manon vom ersten Moment an bedingungslose Leidenschaft verbindet.

Kitschvorwürfe hin oder her: Mit allem Recht haben Puccinis Evergreens von "La Bohème" über "Madama Butterfly" bis "Turandot" die Spielpläne der Welt erobert. Es sucht seinesgleichen, welches Spektrum an Stimmungen und Farben er einsetzt, wie er die Wendungen und auch den Subtext seiner Libretti in Musik fasst und so den direkten Weg in die Herzen der Hörer findet. "Manon Lescaut" ist erst Puccinis dritte Oper, doch schon hier geht er mit verblüffender Souveränität, ja Kühnheit mit den Traditionen des Genres um. So verzichtet er auf eine durchkomponierte Handlung und fügt stattdessen gleichsam exemplarisch Bilder einzelner Stationen aneinander.

Dass ihre Leidenschaft für Des Grieux ihr Schicksal ist, das wird Manon erst spät klar. Denn kurz nachdem sie mit Des Grieux durchgebrannt ist, lässt sie sich von ihrem Bruder von den Vorzügen eines Lebens in Wohlstand überzeugen und zieht bei Geronte ein. Das sinnentleerte Luxusleben geht so lange gut, bis Des Grieux wieder auftaucht und sie nochmals zur Flucht überredet. Zu dumm nur, dass sie zögert, sich von ihren Juwelen zu trennen, und erwischt wird. Da dämmert es dem Hörer schon, dass die Sache nicht gut ausgehen wird. Und wie Puccini dieses Hin und Her zwischen romantischer Liebe und weltlicher Nüchternheit durchdekliniert, jeder Nebensächlichkeit entkleidet, macht seine Oper zu einer Parabel auf Fragen, die uns heute so wie damals bewegen. Nicht nur in Hamburg übrigens.

Manon Lescaut 1.4., 18.00 (Premiere), 4., 7., 12., 15., 19., 24. und 29.4., jeweils 19.30, Staatsoper. Karten unter T. 35 68 68