Bachelor-Absolventen fehlt oft Praxis- und Auslandserfahrung. Viele Firmen schulen Absolventen nach

Theorie: "sehr gut", Praxis: "mangelhaft". Elf Jahre nach der Einführung der Bachelor-Studiengänge fällt das Zeugnis für die Qualität der Absolventen gemischt aus. Die künftigen Führungskräfte sollten schneller studieren, um früher ins Berufsleben einsteigen zu können. Ihr Weg von der Schulbank über den Vorlesungssaal müsste sie mit spätestens 24 Jahren ins Unternehmen führen, wurde von den Reformern proklamiert. Und internationaler sollte das Studium sein, und vor allem sollte es fit für den Job machen.

Doch die Blitz-Ausbildung lässt den Studenten kaum Zeit, um parallel hinter die Kulissen der Wirtschaft und sogar noch ins Ausland zu blicken. So schnuppern die wenigsten "Young Potentials" neben Uni- auch noch Unternehmensluft. Dabei wäre es gerade für sie wichtig, das theoretische Wissen mit der Praxis abzugleichen, um nach der Prüfung schnell im Arbeitsleben Fuß fassen zu können. Denn die Unternehmen suchen Fachkräfte, die über den Bücherrand hinaus blicken und den Betrieben auch mit interdisziplinärem Wissen helfen können.

Was tun? Viele Unternehmen und Personaldienstleister in Hamburg und Umgebung versuchen es mit Selbsthilfe. Sie bemühen sich, die Bachelor-Absolventen nachzuschulen, ihnen das Fehlende an die Hand zu geben. Der eine Betrieb bietet studienbegleitende Workshops an, ein zweiter geht mit den Absolventen vor ihrem Berufseinstieg in dreiwöchige Klausur, und ein dritter holt sich die Studenten zu längeren Praktika ins Haus.

Der Personaldienstleister AutoVision hat die Aktion "Operation Überflieger" ins Leben gerufen. Sie soll Studenten bei ihren Bewerbungen auf die Sprünge helfen. Welche Fragen muss ich dem Personaler beantworten können? Welche Zeugnisse will er sehen? Worauf kommt es bei einer Online-Bewerbung an? Am 17. Juni können Interessenten zwischen 14 und 17 Uhr zu Einzelgesprächen in die AutoVision-Niederlassung am Hopfenmarkt kommen. "Wir beraten die jungen Leute und unterbreiten ihnen Vorschläge, wie sie ihre Bewerbungen aussagekräftig gestalten können und worauf sie beim Job-Interview achten müssen", erläutert Niederlassungsleiter Bernd Eckloff. Außerdem könnten sich die Studenten über offene Stellen informieren. "Natürlich möchten wir selbst auch junge Berufseinsteiger anwerben. Denn wer nicht sofort seinen Traumjob findet, kann durch Zeitarbeit erste Erfahrungen im Berufsleben sammeln." Umgekehrt könne das Unternehmen sehen, ob der Einsteiger in die Belegschaft passt und wo gegebenenfalls Nachschulungs-Bedarf ist. AutoVision will mit der "Operation Überflieger" eine Schnittstelle zwischen jungen Bewerbern und Unternehmen herstellen. Auch bei Lufthansa Technik (LHT) bemängelt man, dass Absolventen nicht ausreichend auf das Berufsleben vorbereitet sind. Deshalb steuert das Unternehmen gegen. Zusammen mit der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) und der Technischen Universität Hamburg-Harburg (TUHH) entwickeln die Luftfahrt-Experten Modelle, um Studenten für die Praxis fit zu machen.

So gibt das Programm "TUHH - PraxisPlus" Bachelor-Absolventen die Möglichkeit, die Zeit bis zum Beginn ihres Masterstudiums sinnvoll zu nutzen: Astrid Neben, Projektleitung Rekrutierung bei LHT: "Da in den neuen Studiengängen oft kein Platz ist für ein Praxissemester, können Studenten es mit diesem Modell sozusagen hinten anhängen und die Pause bis zum Master mit einem sechsmonatigen Praktikum, das auch vergütet wird, überbrücken." Das Unternehmen wolle damit vermeiden, dass Studenten bis zu ihrem Master-Abschluss keine Berufserfahrung sammeln können.

Außerdem bietet LHT vier Duale Studiengänge an: Flugzeugbau, Elektrotechnik, Mechatronik und Maschinenbau. 14 Plätze werden jedes Jahr an Teens und Twens mit Abitur vergeben. An der HAW wird die Theorie gelernt. In den Semesterferien arbeiten die Studenten in verschiedenen Abteilungen des Unternehmens - das Problem des fehlenden Praxisbezugs entsteht so erst gar nicht. "Hier profitieren beide Seiten: Die Studenten haben immer Kontakt zum Unternehmen und können herausfinden, welcher Bereich ihnen am besten liegt und gefällt, und Lufthansa kann die Studenten über einen langen Zeitraum kennenlernen und fördern", sagt Astrid Neben. "Wir investieren viel in unsere Studenten - und 98 Prozent übernehmen wir dann auch."

Die Otto Group legt ebenfalls viel Wert auf praktische Erfahrungen: Ab dem dritten Studiensemester bietet das Unternehmen Praxiseinsätze für Studenten. Michael A. Picard, Direktor Personal: "Unsere Praktikanten bekommen als vollwertige Teammitglieder verantwortungsvolle Aufgaben. Dadurch können sie schon früh ihre beruflichen Aussichten im Konzern ausloten und sich ein Netzwerk schaffen. Nicht selten sehen wir unsere Praktikanten für ihre Abschlussarbeiten oder in einer festen Stelle wieder."

Einen Spurt durchs Studium sieht der Personalchef kritisch: "Erst Praxiserfahrungen geben einen umfassenden Einblick in den Unternehmensalltag. Gerade projektorientiertes Arbeiten, das neben dem normalen Tagesgeschäft den besonderen Reiz ausmacht, erfordert ein hohes Maß an internem Know-how." Daher sei es wichtig, die theoretische Ausbildung schon frühzeitig um praktische Eindrücke zu ergänzen.

Die Devise vieler Hamburger Unternehmen lautet demnach: Wir schleifen unsere Rohdiamanten selbst.