Assessment Center sind bei 70 Prozent der DAX-100-Unternehmen Standard. Darauf kommt es beim Auslesetest an

In Diskussionen punkten, unter Zeitdruck Präsentationen vorbereiten, ein Interview durchstehen, sich in Rollenspielen behaupten ... Und das alles unter dem kritischen Blick mehrerer Beobachter. Einem Bewerber im Assessment Center (AC) wird eine ganze Menge abverlangt.

"ACs sind bei größeren Unternehmen inzwischen Standard", sagt Dr. Stefan Höft, Professor für Psychologie an der Hochschule der Bundesagentur für Arbeit in Mannheim. "Etwa 70 Prozent der DAX-100-Unternehmen setzen sie zur Bewerberauswahl ein." Manchmal dauern sie nur einen halben Tag, manchmal zwei. Für Berufseinsteiger sind Ein-Tages-ACs üblich.

Wer nicht schon zwei, drei ACs absolviert hat, dem rutscht leicht mal das Herz in Hose, wenn er die Einladung erhält. "Wie nervös die Einladung zum AC einen Kandidaten macht, hängt auch davon ab, wie extrovertiert er ist", erklärt Dagmar Nitschke, Trainerin und Karriere-Coach aus Bremen. "Wer sich gut vorbereitet hat, muss keine Angst haben."

Gute Vorbereitung heißt dabei weniger, Antworten auswendig zu lernen. Gut vorbereitet zu sein bedeutet vor allem: zu wissen, was einen erwartet, sich selbst gut zu kennen und sich "echt" zu verhalten. "Am besten, man ist ehrlich, authentisch und offen", sagt Jens Krause, Inhaber von "face to face consulting" in Hollenstedt. "Schauspielerei lohnt sich nicht. Ein guter Beobachter stellt sehr schnell fest, was eine Rolle und was tatsächlich die Person ist."

Im AC werden vor allem drei Merkmale erfasst, erklärt Stefan Höft. "Wie interagiert jemand? Wie motiviert und entscheidungsfreudig ist er? Und wie sind seine analytischen Fähigkeiten?" Um das herauszufinden, werden den Teilnehmern verschiedene Aufgaben gestellt. Mindestens drei verschiedene Übungen müssen gemacht werden, sonst ist das AC nicht aussagekräftig. Die beliebtesten Elemente sind folgende:

Präsentation: Hierbei müssen die Teilnehmer sich selbst, ein Thema oder ein Produkt vorstellen. Manchmal dürfen sie das Thema auch selbst wählen. In einer vorher bestimmten Zeit müssen sie sich vorbereiten, um dann eine klassische Präsentation zu halten. "Es kann aber sein, dass Stressfaktoren eingebaut werden", sagt NLP-Trainerin Dagmar Nitschke. "Zum Beispiel wird überraschend die Vorbereitungszeit verkürzt."

Rollenspiel: Welche Regieanweisung es zum Rollenspiel gibt, hängt ganz von der Tätigkeit ab, für die ein Mitarbeiter gesucht wird. "Ingenieuren wird zum Beispiel gern eine Fachaufgabe gestellt", erklärt Dagmar Nitschke. "Nachwuchskräfte für Banken und im Vertrieb müssen dagegen meist Verkaufsgespräche führen und angehende Personalreferenten oft schwierige Mitarbeitergespräche."

Gruppendiskussion: Sie wird meist mit vier bis sechs Teilnehmern geführt, teils mit einem Moderator. Manchmal gibt es eine Zielvorgabe, manchmal wird ergebnisoffen diskutiert. Wie im Rollenspiel können verschiedenste Themen vorgegeben werden. "Das kann sogar ein politisches Thema sein, wie aktuell zum Beispiel das Rettungspaket für den Euro", sagt Jens Krause.

Postkorb-Übung: Sie ist der Klassiker unter den AC-Übungen und wird gern eingesetzt, weil sie einer realen Arbeitssituation so ähnlich ist. Der Bewerber muss einen Postkorb mit zehn bis 30 Mitteilungen, Terminen, Bitten und Forderungen - beruflicher und privater Natur - durcharbeiten und in eine sinnvolle Reihenfolge bringen. Das Problem: Die Termine kollidieren. Zum Beispiel: "Der Chef verlangt die Präsentation bis 12 Uhr." und "Der Sohn muss um 11.30 Uhr von der Schule abgeholt werden." "Da muss man entscheiden: was tut man zuerst, was delegiert man, was lässt man liegen", erklärt Recruitingexperte Jens Krause. Er rät dazu, erst einmal alle Mitteilungen durchzulesen, bevor man anfängt, sie in eine Reihenfolge zu bringen. "Sonst taucht am Ende noch ein Termin auf, der alles andere wieder durcheinanderbringt."

Weitere AC-Inhalte: Außerdem gehört in jedes AC ein klassisches Bewerbungsgespräch. Es können den Teilnehmern auch Fallstudien zur Beurteilung vorgelegt werden, und bei vielen Firmen kommen Intelligenz- und Persönlichkeitstests zum Einsatz. Manche Unternehmen lassen sogar noch grafologische Gutachten erstellen. "Es gibt auch Firmen, die ihre AC-Teilnehmer in einen Hochseilgarten einladen", ergänzt Jens Krause. "Oder der AC wird von einer Musikeinlage oder einem Theaterstück unterbrochen. Das soll dann anschließend rezensiert werden."

Auch sogenannte Brain-Teaser können zum Einsatz kommen. "Wie viele Meter Gartenschlauch gibt es in Deutschland?", nennt Dagmar Nitschke ein Beispiel. "Kein Mensch weiß das, es geht nur darum eine Schätzung abzugeben", erklärt sie. "Sagen Sie bloß nie, 'Das weiß ich doch nicht'", warnt die Karriere-Trainerin. "Versuchen Sie sich an einer kreativen Antwort."

Zur Vorbereitung des ACs empfehlen Experten, die Übungen - soweit möglich - schon einmal mit Freunden auszuprobieren. "So kann man zum Beispiel ein Gespräch mit einem schwierigen Kunden üben", schlägt Stefan Höft von der Hochschule der BA vor.

Außerdem bieten Career Center an den Unis und andere Dienstleister AC-Trainings an. "Sind Traineestellen ausgeschrieben, achten die Beobachter meist darauf, ob sich die Bewerber integrieren können", bestätigt auch Stefan Höft. "Wer nur darauf setzt, seine Führungsqualitäten zu demonstrieren, kriegt gleich Minuspunkte."

Und wenn es dann trotz aller Vorbereitung nicht geklappt hat mit dem ersehnten Job? Sehen Sie es als Übung für das nächste AC und als Selbsterfahrung. Denn durch das Feedback am Ende jedes ACs erfahren Sie mehr darüber, wie Sie auf andere wirken.