Langsam, aber sicher: Ingenieurinnen setzen sich in der einstigen Männerdomäne immer stärker durch. Ihre Aufstiegschancen sind hervorragend

Mit 31 Jahren wurde Irina Smirnova Deutschlands jüngste Professorin, als sie 2008 die Professur Thermische Verfahrenstechnik und die Leitung des gleichnamigen Instituts an der TU Hamburg-Harburg (TUHH) antrat. Diplom-Ingenieurin Kristin Abel-Günther forschte 17 Jahre lang an der TUHH, bevor sie mit 40 Jahren in die Industrie wechselte. Sie wurde Vertriebsleiterin bei der MAN Turbo AG. Dagmar Elten ist promovierte Ingenieurin und verantwortet bei Lufthansa Technik (LHT) das Qualitätsmanagement des Entwicklungsbetriebs der LHT-Gruppe.

Während diese drei Ingenieurinnen bereits auf ein gutes Stück ihrer Karriere zurückblicken können, hat Karin Dietl noch einiges vor sich. Sie studierte Allgemeine Ingenieurwissenschaften an der TUHH und arbeitet an ihrer Promotion zum Thema "Die CO2-Abscheidung bei Kraftwerken". Die 28-Jährige erhielt für ihre Simulation von Flugzeugkühlsystemen 2008 den Internationalen Amelia-Ehrhardt-Preis. Zwar seien Ingenieurinnen noch in der Minderzahl, aber Nachteile habe sie bislang nicht feststellen können, sagt Dietl.

Der Frauenanteil bei den Ingenieurstudenten sei in Hamburg mit rund 20 Prozent höher als an anderen Unis, sagt TUHH-Vizepräsident Garabed Antranikian. So studieren Allgemeine Ingenieurwissenschaften 87 Männer und 31 Frauen, Bau- und Umweltingenieur 40 Männer und 35 Frauen, Logistik 13 Männer und neun Frauen, Verfahrenstechnik 29 Männer und zwölf Frauen. Beim Maschinenbau, einem klassischen Männerstudienfach, sind es 167 Männer und 26 Frauen. Noch vor 20 Jahren gab es hier nicht eine Studentin. In der Bioverfahrenstechnik studieren sogar mehr Frauen (16 Frauen, 13 Männer). Dass ein Ingenieurstudium hohe Anforderungen an die Studierenden stellt, bekunden 59 Prozent der Befragten einer aktuellen Studie des VDI.

"Als ich damals in Berlin Elektrotechnik studierte, waren wir nur drei Frauen unter 300 Männern", berichtet Elten, die nach ihrer Promotion in der Mess- und Regelungstechnik zunächst bei Lufthansa als Systemingenieurin begann, dann drei Jahre bei einer kleinen Airline die Instandhaltung leitete. Heute ist sie Gruppenleiterin und Schnittstelle zu 40 Abteilungen. In ihrem Job seien vor allem sachliches Argumentieren und Problemlösungen gefragt. "Als Frau werde ich mehr beachtet. Das hat zugleich Vor- und auch Nachteile." So könne sie sich mittlerweile mehr Emotionalität leisten, ohne dass es ihr übel genommen werde.

Um als Ingenieurin Karriere zu machen seien Netzwerke sehr wichtig, sagt die Mathematikerin und ehemalige Professorin am Institut für Numerische Simulation der TUHH, Maria Lukacova, die mit 34 Jahren an die TUHH kam. Erste Schritte für den Berufsweg junger Ingenieurinnen seien Mint-Fächer und die Wahl einer guten Uni. Für Ingenieurinnen sei es jedoch nicht leicht, sich durchzusetzen. "Man muss als Frau zweimal besser sein, um halb so gut wie ein Mann angesehen zu werden", lautet das Fazit von Lukacova, die zurzeit den Lehrstuhl für Numerische Mathematik an der Universität Mainz leitet.

Es müsse nicht immer eine Karriere als Führungskraft einer großen Abteilung sein, sagt Elten. Gerade Projektmanagerinnen biete sich ein großer Wirkungskreis mit spannenden Aufgaben und einem großen Budget. "Die junge Ingenieurin sollte die Faszination ihres Berufes erleben, dieser nachgehen und dabei ihrem Herzen folgen." Wichtig sei es, immer authentisch zu bleiben, sich nicht zu verstellen und offen den Menschen und Themen zu begegnen, rät Elten. Frauen sollten auch ihre Furcht vor einer Entscheidung zugeben und diese dann trotzdem treffen.

Am Institut für Biotechnologie von Prof. Antranikian arbeiten 50 Prozent Frauen. Der Vizepräsident setzt an der Uni auf neue Wege und Fächerkombinationen. Der Trend gehe zum interdisziplinären Ingenieurstudium. Deshalb sei der Blick über den Tellerrand wichtig. Besonders die Umweltforschung habe sich dramatisch entwickelt und verlange extrem interdisziplinäre Betrachtungsweisen. So werden auch die nichttechnischen Fächer immer wichtiger, und die Studenten können an der TUHH Psychologie zum Wahlfach nehmen. "Unser Gehirn ist groß, und wir nutzen es nicht genug", sagt Antranikian. "Die Frauen haben bewiesen, dass sie sehr stark sind. Das Potenzial ist da, wir müssen es nur nutzen", sagt Antranikian, der sich wünscht, dass die Männer flexibler sind, denn Familie und Karriere lasse sich noch immer schwer für die Frauen vereinbaren. So fällt es laut VDI-Studie 34 Prozent der befragten Frauen schwer bis sehr schwer, nach einer Babypause wieder in ihrem Unternehmen einzusteigen. Und 58 Prozent wünschen sich von ihrem Arbeitgeber die Möglichkeit zu Home Office.

Aber es gibt auch positive Beispiele. So ermöglichen viele Unternehmen wie auch LHT und Shell Teilzeitmodelle. Das bestätigen 70 Prozent der befragten Frauen in der VDI-Studie. Ingenieurkolleginnen von Elten kehren nach einem Jahr Elternzeit auch teilzeit in eine gleichwertige Position zurück. Außerdem beobachtet Elten bei LHT immer mehr Männer, die Elternzeit nehmen, wenn auch nur einige Monate. Sogar Gruppenleiter sind dabei.