Der Bedarf an Medizinischen Dokumentaren nimmt besonders in Krankenhäusern deutscher Ballungsgebiete zu. Gefragt sind vor allem Bewerber mit IT-Kompetenz

Durch den steigenden Kostendruck und die zunehmende Zahl an Fusionen im Gesundheitswesen wird in nahezu allen Bereichen nach Synergieeffekten und Einsparmöglichkeiten gesucht. Eine positive Nebenwirkung dieser Entwicklung: Der Bedarf an medizinischer Dokumentation nimmt zu.

Gefragt sind Medizinische Dokumentare (MD) und Medizinische Dokumentationsassistenten (MDA), die eine medizinisch ausgerichtete Ausbildung haben, über IT-Kompetenz verfügen und sich obendrein mit wissenschaftlichen Zusammenhängen auskennen. Sie unterstützen Ärzte bei der Informationsbeschaffung und -verarbeitung sowie Wissenschaftler in der Therapieforschung. Sie erfassen, strukturieren und verschlüsseln medizinische Informationen, verwalten und pflegen Datenbestände und werten diese statistisch aus.

In Deutschland gibt es rund 8000 MD und MDA, etwa 80 Prozent davon sind Frauen. Hinzu kommen viele Quereinsteiger und Umschüler. Eine von ihnen ist Andrea Großer, stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Verbands Medizinischer Dokumentare (DVMD). Wegen einer Latex-Allergie war sie 1992 gezwungen, ihren Beruf als MTA aufzugeben und sich beruflich neu zu orientieren. Also absolvierte sie eine MDA-Ausbildung. Seit November 1994 arbeitet Andrea Großer am Institut für Medizinische Biometrie und Epidemiologie in der Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf. Ihr Aufgabengebiet ist dreigeteilt.

Zum einen berät Großer Wissenschaftler, Doktoranden, Mitarbeiter anderer Kliniken und Behörden, die medizinische Projekte oder Studien durchführen und Unterstützung bei der technischen Seite der statistischen Auswertung benötigen. Seit einigen Jahren ist sie verstärkt im Bereich der statistischen Auswertung, der Doktorandenberatung und im Seminarbereich aktiv. Als Projektkoordinatorin sorgt die Fachfrau dafür, dass Informationen rechtzeitig zur Verfügung stehen und das Datenhandling nach den branchenüblichen Standards und gesetzlichen Vorgaben erfolgt.

Vor Beginn einer statistischen Auswertung erstellt sie zunächst Plausibilitätschecks. Nach Vorliegen der Daten programmiert Großer die komplette Auswertungsroutine. Dies geschieht in Absprache mit einem Projektstatistiker. Die Ergebnisse werden im Team besprochen, und es wird festgelegt, was in welcher Form veröffentlicht wird. Abschließend bereitet Großer Tabellen und Grafiken für Artikel und Veröffentlichungen auf. "Während eines Projekts halte ich engen Kontakt mit den anderen Projektmitgliedern. Wir Dokumentare sind häufig die einzigen, die den gesamten Ablauf eines Projekts planen und verwalten. Doch diesen Überblick im Kopf zu haben heißt noch lange nicht, Ärzte und Wissenschaftler von der Richtigkeit unserer Arbeit überzeugen zu können. Da sind Kommunikationsstärke, Kompromissbereitschaft und Durchsetzungsvermögen unabdingbar", erläutert Großer. Ein wesentlicher Teil ihrer Arbeit besteht in der Planung und Durchführung von Statistikprogramm-Seminaren. Großer: "Ich kann sehr eigenständig arbeiten, habe großen Entwicklungsspielraum und kann eigene Ideen einbringen. Ebenso lerne ich immer wieder neue Teilbereiche der Medizin kennen." So hat sie fast zehn Jahre lang das Hamburger Projekt Externe Qualitätssicherung Schlaganfall betreut und im Zuge des Projektverlaufs an die 12 000 Datensätze bearbeitet: "Da bekommt man das eine oder andere menschliche Schicksal hautnah mit. Ich musste erst einmal lernen, dazu einen professionellen Abstand zu gewinnen."

Wie die DVMD-Geschäftsführerin Sabine Kapsammer berichtet, gibt es vor allem in den deutschen Ballungsgebieten derzeit sehr viele freie Stellen für MD und MDA. "Durch die Dokumentationspflicht entstehen speziell im Krankenhaus komplexe Systeme, die nicht mehr allein von Ärzten und Pflegern übernommen werden können. Ein Grund für den steigenden Bedarf sind auch die immer komplizierter werdenden Vorschriften für Markteinführungen", erläutert Kapsammer.

Die Aufgabengebiete der Dokumentare sind so unterschiedlich und vielfältig wie die Arbeitgeber. Neben Kliniken, Krankenkassen und medizinisch-wissenschaftlichen Instituten stellt vor allem die pharmazeutische Industrie die Spezialisten ein. Häufige Jobbezeichnungen sind Datamanager oder SAS-Programmer. Als Großer vor acht Jahren nicht mehr im Labor arbeiten konnte, brach für sie eine Welt zusammen. Heute sieht sie das anders. "Der Einstieg in die medizinische Dokumentation war das Beste, was mir passieren konnte."