Rolf Beck und die Chorakademie des Festivals mit geistlichen Meisterwerken

Das Requiem des französischen Komponisten Gabriel Fauré ist so ganz anders, als man das von seinen Kollegen von Mozart über Berlioz bis Verdi kennt. Fauré war Chorleiter und Organist an der Kirche La Madeleine in Paris; Totenämter und Beerdigungen hatte er von Berufs wegen bis zum Überdruss mit Musik untermalt. So wollte er andere Wege gehen, als er nach dem Tod seiner Eltern 1887 daranging, ein eigenes Requiem zu komponieren.

"Das Requiem ist so sanftmütig wie ich selbst", schrieb er einem Freund. Der Tod, so Fauré, erscheine "nicht als schmerzliches Erlebnis, sondern als eine willkommene Befreiung, ein Streben nach dem Jenseits". Es fehlen in seiner Totenmesse also die großen, dramatischen Szenen, in denen Verdi oder Berlioz den düsteren Schnitter heraufbeschwören. Das finstere "Dies Irae" ließ Fauré fast ganz weg. Strafgerichte und Höllenqualen waren seine Sache nicht.

Fauré komponierte dafür das "Pie Jesu", das fast alle seine Kollegen übergangen hatten, und schuf dazu eine hinreißende Musik für Knabensopran. "So wie es nur ein ,Ave verum' gibt, das von Mozart nämlich, so gibt es auch nur ein 'Pie Jesus', das von Fauré." Dies jedenfalls behauptete Camille Saint-Saëns voller Bewunderung über den Requiem-Satz seines Kollegen. Und noch Andrew Lloyd-Webber war von Faurés Klassiker derart angetan, dass er im "Pie Jesu" seines eigenen Requiems großzügige Anleihen bei ihm machte.

Seiner eigenen Theologie folgte Fauré auch beim Text des Libera animas: Statt nur für die Seelen derer, "die im Glauben dahingeschieden sind", wird bei ihm für alle gebetet, "die dahingeschieden sind". Bei der gestrengen Geistlichkeit erregte diese Auffassung eines sakrosankten Textes seinerzeit heftigen Ärger. Und der Vikar von La Madeleine beschied den Komponisten nach der Uraufführung gar, er möge künftig solche Experimente unterlassen; Requiem-Vertonungen habe man genug.

Aber solche wie das Fauré-Requiem eben nicht. Denn Fauré war offenbar nicht nur ein Freigeist, sondern auch mehr Kammer- als Kirchenmusiker. Die erste Version seiner Totenmesse komponierte er für die beschränkten Mittel seiner Kantorei. Ein Chor von 35 Knaben- und Männerstimmen und ein sehr dezent behandeltes Orchester aus tiefen Streichern, Harfe, Pauke und Orgel. Erst mit dem Erfolg kam dann die Masse: 1889 komponierte er eine zweite Fassung mit zwei zusätzlichen Sätzen, und 1899 folgte eine Version für volles Orchester und Chor. Doch auch hier sind Posaunen und Trompeten noch so delikat eingesetzt, dass Faurés Requiem die zarteste Vertonung bleibt, seit es Totenmessen gibt.

Es ist also ein musikalisch und theologisch unorthodoxes Requiem, das der Künstlerische Leiter Rolf Beck sich für seine Chorakademie ausgesucht hat. Quasi zur Versöhnung spielt man daneben ein "Geistliches Konzert" von Francis Poulenc und das "Gloria" des geweihten Priesters Antonio Vivaldi. Seit seiner Wiederentdeckung 1939 ist dieses "Gloria" der größte Hit unter Vivaldis Chorkompositionen. Komponiert hat der "padre rosso" es vermutlich während seiner Zeit als Musikdirektor eines für seine Musikausübung weithin bekannten venezianischen Waisenhauses.

Als Kontrapunkt zum welschen Wohlklang präsentieren Beck und seine Choristen bei ihrer traditionellen Chornacht im Lübecker Dom dann deutsche (bzw. österreichische) Romantiker von Mendelssohn über Bruckner bis Reger.

Mit diesen abwechslungsreichen Programmen setzt die Akademie von jungen Chorsängern aus aller Welt nun im neunten Jahr ihre erfolgreiche Arbeit fort. Gegründet worden war die Chorakademie 2002 von Rolf Beck als zweites pädagogisches Standbein neben der Orchesterakademie. Denn eine Besonderheit des Schleswig-Holstein Musik Festivals ist, dass es nicht nur ein Fest für die Hörer, sondern auch ein Ort der Begegnung und des Lernens für die Musiker ist. Chorakademie, Orchesterakademie und Meisterkurse sind integraler Bestandteil des Festivals.

In elysischen Gefilden 14.7. Lübeck, 15.7. Rendsburg

Chornacht 22.7. Lübeck