Das Festival bringt “Halka“ von Stanislaw Moniuszko auf die Bühne, Polens Nationaloper schlechthin

Im 19. Jahrhundert vollzog sich in Europa ein grundlegender Mentalitätswandel: Als Spätfolge der französischen Revolution erwachte in vielen Regionen ein starkes Nationalgefühl, das auch in der Musik seine Spuren hinterließ. Zu den populärsten Beispielen für die politische Bedeutung von Kunst gehört sicher Verdis Gefangenenchor als sängerisches Sinnbild des italienischen Freiheitsstrebens. Einen ähnlichen Stellenwert wie Verdis "Nabucco" hat in Polen Stanislaw Moniuszkos "Halka": Sie ist die Nationaloper schlechthin.

Das Libretto stammt von dem Dichter Wlodzimierz Wolski, dessen radikale Gesellschaftskritik sich deutlich in der Handlung um die junge Halka spiegelt: Das arme leibeigene Bauernmädchen erwartet ein Kind vom Edelmann Janusz und glaubt seinem Treueschwur - doch er verlobt sich standesgemäß mit der Tochter eines Schlossherrn.

Erst als der Bauernbursche Jontek, der ihr natürlich in treuer Liebe ergeben ist, sie zur Feier führt, erkennt sie die Wahrheit. Am Ende sind die Gäste in der Kapelle versammelt. Doch Halka bringt es nicht über sich, die Kirche in Brand zu stecken, und nimmt sich stattdessen selbst das Leben. Ihr tragisches Ende erzürnt das Volk, das die Hochzeitsgesellschaft verjagt: ins Schloss - die letzte noch sichere Bastion der herrschenden Klasse.

Wegen der offenkundigen Kritik am Adel und dem System der Leibeigenschaft wurde das Stück von der Zensur abgelehnt und erlebte erst 1858, über zehn Jahre nach der Entstehung, seine vollständige Uraufführung in Warschau. Die Oper erfreute sich schon bald großer Beliebtheit: Sie erzählt den volksnahen Stoff sehr plastisch, mit farbigen Milieuszenen, effektvollen Chortableaus und traditionellen Tänzen wie der Polonaise und der Mazurka.

Dieses Lokalkolorit verwebt Stanislaw Moniuszko in eine romantische, leitmotivisch vernetzte Klangsprache von balladenhafter Melancholie, die die folkloristischen Elemente mit internationalen Einflüssen kombiniert: Das Ergebnis ist eine Oper mit sowohl anrührenden als auch mitreißenden Momenten und vielen ausdrucksvollen Melodien: polnischer Belcanto aus einer politisch sehr bewegten Zeit.

In Polen gehört die große Nationaloper zum Standardrepertoire, hierzulande ist sie dagegen nur wenig bekannt: Nach der Hamburger Erstaufführung vor 75 Jahren war die "Halka" äußerst selten auf deutschen Bühnen zu Gast. Das Schleswig-Holstein Musik Festival präsentiert Moniuszkos Meisterwerk in einer konzertanten Aufführung mit der NDR Radiophilharmonie und einem überwiegend polnisch besetzten Solistenensemble.

"Halka" 22.8. Kiel