Der Intendant des Schleswig-Holstein Musik Festivals Rolf Beck im Gespräch

Seit 1999 leitet Rolf Beck das Schleswig-Holstein Musik Festival. Bis 2002 bildete er als Direktor mit dem Dirigenten Christoph Eschenbach eine Doppelspitze, 2002 wurde er Intendant. Das Abendblatt hat im Gespräch mit Beck auf diese Jahre zurückgeblickt.

Abendblatt:

Wann haben Sie zum ersten Mal vom Festival gehört?

Rolf Beck:

Das war Mitte der 80er. Da war ich noch Intendant der Bamberger Symphoniker und saß mit unserem damaligen Chefdirigenten Horst Stein beim Bier zusammen - wir haben beide gesagt, was die da oben machen, geht höchstens zwei Jahre gut. (lacht) Auch dieses ganze ehrenamtliche Engagement der Bürger, das kann nicht funktionieren. Unsere Einschätzung war total falsch: Es geht noch immer und zwar sehr, sehr gut. So hat man aus dem Süden beobachtet, was da im Norden passiert - in einer Gegend, die man als Musikland ja nicht so wahrgenommen hat, wenn man in Bayern lebte.

Erinnern Sie sich an Ihre ersten direkten Kontakte mit dem Festival?

Ja, natürlich. Wir waren mit den Bambergern beim Festival zu Gast, zum Beispiel bei einem Konzert mit Giuseppe Sinopoli, der damals den Zentis-Musikpreis bekam. Es war irrsinnig heiß im Kieler Schloss - da ist ja keine Klimaanlage. Ein Redner sagte deshalb, Sinopoli solle doch bitte etwas schneller dirigieren. Und der hat in seiner Dankesrede geantwortet, er müsse die Leute zweifach enttäuschen: Erstens, er werde den Preis nicht für soziale Zwecke spenden, sondern für seine Ausgrabungen in Ägypten verwenden. Zweitens, das Konzert werde bei ihm 70 Minuten dauern, und wem das zu viel sei, der solle doch bitte jetzt gehen!

Hätten Sie da gedacht, dass Sie einmal selber das Festival leiten würden?

Nein, ich hätte nie gedacht, dass ich mal hierherkomme! Ich war ja 15 Jahre in Bamberg und hatte einige verlockende Angebote, von den Münchner Philharmonikern und der Zürcher Tonhalle zum Beispiel. Es hieß immer, Beck flirtet, geht dann aber doch nicht - und da musste ich irgendwann doch mal über einen Wechsel nachdenken. Ich kam also zum NDR und machte mit Herbert Blomstedt den Vertrag, der aber schon bald nach Leipzig ging.

... und dann folgte das Engagement von Christoph Eschenbach ...

Genau, dann habe ich Christoph Eschenbach nach Hamburg geholt. Kurz danach höre ich, dass er als künstlerische Lichtgestalt zum Festival gehen soll. Damals gab es aber starke Spannungen zwischen NDR und Festival - darum habe ich ihm gesagt, das können Sie nicht machen! Da fragte er mich, was ist, wenn wir das zusammen angehen? So entstand das Modell mit ihm als Intendanten und mir als Direktor. Als Eschenbach dann das Festival wegen seiner Stelle in Philadelphia abgeben musste, wurde ich Intendant.

Wie hat sich das Festival unter Ihrer Leitung entwickelt?

Wir haben es zunächst so übernommen, wie es war. Warum soll man auch etwas umkrempeln, das gut funktioniert? Später haben wir dann die Musikfeste ein wenig renoviert und die Konzerte allmählich stärker auf Inhalte als auf Glamour ausgerichtet, zum Beispiel durch die Fokussierung auf die Länderschwerpunkte.

Gab es dabei wichtige Wendepunkte?

Das Finnland-Jahr 2001 war ein gewisser Durchbruch. Vorher haben die Leute uns für verrückt erklärt, was es denn da gäbe außer Sibelius. Ich bekam selber Angst - und dann war es ein wunderbares Jahr. Ich glaube, seit dem Finnland-Jahr mit den vielen eigenwilligen und schrägen Künstlern vertrauen die Leute darauf, dass wir Dinge anbieten, die sie zwar nicht kennen, die aber trotzdem sehr interessant sein können. Jetzt, bei unserem Polen-Schwerpunkt, ist zum Beispiel das Konzert mit dem sehr guten, aber wenig bekannten Rundfunkorchester aus Kattowitz schon seit Ende April ausverkauft!

Neben dem künstlerischen Profil gehört sicher auch die gute Vernetzung mit der Basis zum Erfolgsrezept des Festivals ...

Ja. Das ist in schwierigen Zeiten besonders wichtig. Da sind wir auf die Treue und Unterstützung unseres Publikums und unserer Sponsoren und Förderer dringend angewiesen. Unsere Ehrenamtlichen bewältigen unglaubliche logistische Herausforderungen, etwa wenn große Orchester zu versorgen sind. Frau Albers, der Chefin aller Beiräte, ist es hervorragend gelungen, einen Generationswechsel zu fördern.

Wie sehen Sie denn die Zukunft, auch in Anbetracht konkurrierender Festivals?

Der besondere Charme von Scheunen und Seeluft wird sicher erhalten bleiben. Wir haben den Anspruch, dass das Original besser bleiben muss als die Plagiate. Diese Form müssen wir immer wieder mit neuen Inhalten zu füllen. Wenn ich daran denke, wie wir auf dem Airbus-Gelände vor 3500 begeisterten Hörern ein Konzert hatten, wie der Schlagzeuger Martin Grubinger mit 80 jungen Leuten im Lübecker Hafen gespielt hat, aber auch, wie wir mit Crossover neue Hörerschichten angesprochen haben, ohne die Stammkunden zu verlieren - dann glaube ich, dass wir auf einem guten Weg sind.