Die Speicherstadt wird 125. Mit einer Ausstellung zur historischen Entwicklung des Viertels feiert das Speicherstadtmuseum das Jubiläum in neuen Räumen.

Die Zeiten, in denen Kaffee, Tee oder Gewürze in der Speicherstadt lagerten, sind lange vorbei. Geblieben sind die Türmchen, Giebel und roten Backsteinfassaden, die sich im Wasser der Fleete spiegeln. Der pittoreske Baustil und die Lage am Hafen faszinieren bis heute viele Besucher. Darüber hinaus repräsentiert das traditionsreiche Lagerhausviertel ein wichtiges Kapitel der Hamburger Geschichte.

Seit 15 Jahren bringt das Speicherstadtmuseum, das von Henning Rademacher als private Außenstelle des Museums der Arbeit betrieben wird, seinen Besuchern die Historie des Quartiers nahe. Im Mai muss Rademacher seinen bisherigen Standort verlassen und in den Block L am Sandtorkai umziehen. Dort wird das Speicherstadtmuseum am 27. Mai mit der Sonderausstellung "125 Jahre Speicherstadt" neu eröffnet.

"Das Datum ist eigentlich nicht korrekt", gibt Ralf Lange vom Speicherstadtmuseum zu, "denn 1885 war Baubeginn. Die feierliche Einweihung der Speicherstadt fand erst drei Jahre später statt." Aber 1885 wurde auch die Hamburger Freihafen-Lagerhaus-Gesellschaft (HFLG) ins Leben gerufen, um den Bau der Speicher zu finanzieren - und die war eine der Gründungsgesellschaften der heutigen Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA). "2010 feiern wir deshalb ein Doppeljubiläum: 125 Jahre Hamburger Hafen und Logistik AG - 125 Jahre Speicherstadt. Anlass für den Bau der Speicherstadt war der Zollanschlussvertrag, der 1881 zwischen Hamburg und dem Reich geschlossen wurde. Damals gab es noch eine Zollgrenze, die um Hamburg, Altona und Wandsbek herum lief. Ab 1888 sollte das zollfreie Lagern nur noch in der Enklave des Freihafens möglich sein. Für die neuen Freihafenspeicher boten sich die Kehrwieder- und Wandrahminseln im Süden der Altstadt an.

"Hierfür mussten allerdings 16 000 Menschen umgesiedelt werden. Ihre Wohnungen wurden für den Bau der neuen Lagerhäuser abgerissen", sagt Ralf Lange. Wie das Viertel vor dem Umbau aussah, zeigen Fotos in der Ausstellung. Bilder mit schmucklosen Fachwerkhäusern dokumentieren die Wohnverhältnisse der Handwerker und Arbeiter. Prunkvolle Barockfassaden zierten die Häuser der Kaufleute.

Ein ganzer Berufsstand profitierte von der neuen Speicherstadt: die Quartiersleute - selbstständige Lagerhalter, die mit ihren "Consorten" - Teilhabern - im Auftrag der Kaufleute deren Waren einlagerten, sortierten und bemusterten. Schon im 17. Jahrhundert kümmerten sich die Quartiersleute um die kostbaren Importgüter. Damals besaßen die Kaufleute noch eigene Speicher und die Quartiersleute zogen von Lagerort zu Lagerort. Erst durch den Bau der Speicherstadt konnten sie eigene Böden anmieten und sesshaft werden. Wie in den Speichern gearbeitet wurde und welche Güter dort lagerten, illustrieren viele Ausstellungsobjekte. Zu sehen sind Handhaken, Griepen und Zuckerklatschen, Dezimalwaagen, Schablonen und Schaber und Küperhammer. Mit Probenstechern wurden "Stichproben" zur Qualitätsprüfung entnommen. Und man erfährt, dass Kaffeebohnen bis in die 1970er-Jahre per Hand verlesen wurden - was eine schlecht bezahlte Frauenarbeit war.

Eines kann die Ausstellung dagegen nur bedingt vermitteln, nämlich die Gerüche, die früher die Speicherstadt zu einem sinnlichen Erlebnis machten: Rohkaffee und Muskatblüten, Darjeeling-Tees und Spirituosen in Fässern. Besonders "Anrüchiges" wie Häute oder Därme kamen in die Keller, die gemauerte Gewölbe hatten, sodass die üblen Düfte eingeschlossen blieben.

Die Speicherstadt ist ein Musterbeispiel für die "Hannoversche Schule", wie die neogotische Backsteinarchitektur der Gründerzeit fachmännisch genannt wird. Nachdem die Speicherstadt im Zweiten Weltkrieg zu 50 Prozent zerstört wurde, baute Werner Kallmorgen sie in den 50er-Jahren im alten Stil wieder auf. Er ließ Zinnen, Türme und die alten Backsteinmuster wieder einfügen und erhielt so den Charme des 19. Jahrhunderts.

Nach dem Wiederaufbau wurde die Speicherstadt bis Mitte der 1990er-Jahre zur Lagerung genutzt. Doch immer mehr Firmen wanderten ab. "Hier wurde ja noch wie zu Uropas Zeiten mit der Handkarre gelagert, und das war unrentabel geworden", sagt Ralf Lange. Ein Glücksfall für die Speicherstadt war allerdings, dass die Teppichhändler den attraktiven zentralen Standort entdeckten und die leeren Böden wieder füllten. Heute werden immer mehr Speicher in Bürohäuser umgewandelt. Das Speicherstadtmuseum bleibt, was es immer war: ein Museum für Kaffee, Tee und Consorten.

Die Speicherstadt: Tradition und Wandel seit 125 Jahren ab 27. Mai, Speicherstadtmuseum, Am Sandtorkai 36, Di-Fr 10-17 Uhr, Sa/So 10-18 Uhr; www.speicherstadtmuseum.de