Bei Ausgrabungen in Hamburg ist stets das Team des Archäologischen Museums zur Stelle. Oft findet es wahre Schätze.

Wenn Archäologen nach manchmal monatelanger Suche auf etwas stoßen, ist die Freude groß. Im September 2009 wurde mitten im Stadtzentrum ein großes Grabungsprojekt an der Ecke Kreuslerstraße/Speersort abgeschlossen. Hier befand sich, unmittelbar über dem mittelalterlichen Bischofsturm, das alte Gemeindehaus von St. Petri, 1926 erbaut und 2008 abgerissen. An dieser Stelle wird vis-à-vis der Kirche ein neues Geschäftshaus entstehen, der "St.-Petri-Hof".

Sobald in der Innenstadt Hamburgs oder im Landkreis Harburg die Bagger anrücken, um eine Baugrube auszuheben, sind auch die Archäologen des Archäologischen Museums Hamburg vor Ort. Ihre Aufgabe ist es, die in der Erde befindlichen Denkmale zu schützen und zu erhalten. Dr. Elke Först und ihre Mitarbeiter sind das ganze Jahr über im Einsatz, da sie sich nach aktuellen Bauvorhaben richten müssen. Im Sommer schwitzend unter einem Grabungszelt, im Winter mit Schal und Mütze. Vier Mitarbeiter haben bei der Grabung am Speersort mitgewirkt. Die Wissenschaftler erhofften sich neue Erkenntnisse über die Befunde der Ausgrabungen von 1926, die damals weitaus weniger akribisch als heutzutage dokumentiert wurden. So war bekannt, dass 1926 in einem Kloakenschacht die Reste einer Schusterwerkstatt gefunden wurden mit Schuhen und anderen Lederresten.

Beim Entfernen des alten Kellerbodens stießen die Archäologen zu ihrer Überraschung auf einen Holzkastenbrunnen aus dem 14. Jahrhundert und einem bereits 1926 entdeckten Ziegelsteinbrunnen aus dem 15./16. Jahrhundert. Im Bereich Kreuslerstraße und Umgebung sind damit insgesamt zehn Brunnenanlagen nachgewiesen. Eine solche Häufung auf kleinster Fläche führt zu der Annahme, dass hier einmal Handwerker lebten, die bei ihrer Arbeit viel Wasser verbrauchten - wie zum Beispiel Gerber. Gestützt wird diese Vermutung durch den Nachweis von Gerbergruben rund um die St.-Petri-Kirche und durch eine Äschergrube, in der Kalk gefunden wurde, mit dem man die Haare von Tierhäuten entfernte.

Im Nordosten des Grundstücks befndet sich ein Schacht mit Ziegelboden, der als Wasserreservoir diente. Gespeist wurde er mittels einer Direktwasserleitung von der "alten Wasserkunst" am Reesendamm, heute Jungfernstieg. In diesem zentralen Schöpfwerk sammelten die Bewohner ab 1531 Alsterwasser und leiteten es von da zu einzelnen Häusern.

Was passiert aber künftig mit den zahlreichen Leder-, Metall- und Keramikfunden aus der Kreuslerstraße? Zunächst einmal werden sie gewaschen, danach inventarisiert, fotografiert, gezeichnet und wissenschaftlich ausgewertet. Anschließend kommen sie in das Archäologische Zentralmagazin Hamburg nach Harburg, das gleichfalls im Archäologischen Museum Hamburg ansässig ist. Doch das ist noch nicht alles. "Ein wesentlicher Punkt unserer Arbeit ist die Veröffentlichung der Grabungsergebnisse. Oder salopp gesagt: Man muss in der Suppe rühren, so lange sie heiß ist", erläutert Först.

Graben, recherchieren und aufarbeiten muss auch Dr. Jochen Brandt. Er führt die fachliche Aufsicht über die Bodendenkmalpflege im Landkreis Harburg. Das Grabungsgeschehen ist hier so ähnlich wie in Hamburg. Wenn Brandt und sein Team die Funde geborgen haben, werden sie gewaschen. Bei etlichen Tausenden von Scherben ergibt sich ein erheblicher Zeit- und Raumbedarf. Die sauberen Objekte kommen in Tüten und diese wiederum in Kartons. Alles wird genau beschriftet. Anschließend holt Jochen Brandt die Kartons ab, packt sie aus und beginnt mit der wissenschaftlichen Auswertung. Anschließend gelangen die Funde in das Archäologische Zentralmagazin Hamburg. Am Ende steht ein hausinterner Abschlussbericht für die Fachleute. In Fällen, in denen ein Investor die Grabung finanziert, folgt ein Laienbericht und im Idealfall eine wissenschaftliche Publikation.

Im Sommer und Herbst 2009 war das Grabungsteam in Winsen aktiv. Dort wurde die Zufahrtsrampe zum Schloss neu gepflastert. Dabei entdeckten die Archäologen die Grundmauern des alten Torhauses, das den Zugang zum Schloss mit einer Zugbrücke verband. Von hier aus wurde kontrolliert, wer die Burg betrat oder verließ. Das Torhaus wurde am Beginn des 14. Jahrhunderts erstmals erwähnt und um 1700 zusammen mit der Brücke wegen Baufälligkeit abgerissen.

Außer den mittelalterlichen Mauerresten haben die Archäologen Scherben von Schieferplatten, Fensterglas, Ofenkacheln und Geschirr aus Ton entdeckt. Zudem Knochenreste, die von Speiseabfällen herrührten.

Eine weitere außergewöhnliche Spur in die Vergangenheit verfolgten die Bodendenkmalpfleger auf einer kleinen Altstadtparzelle an der Winsener Marktstraße. Beim Abriss eines Wohnhauses kamen jahrhundertealte Überreste zutage. Mehrere Herdstellen, Scherben von Kochgeschirr, Ziegelsteine, Dachpfannen und Handspindeln. Hausreste sowie einzelne Holzkohleschichten zwischen sechs verschiedenen Bauphasen zeugen von wiederholten Brandkatastrophen. Die ältesten Funde reichen bis ins 13. Jahrhundert zurück. Spannendster Fund der Grabung ist ein auf den ersten Blick unscheinbar wirkender Topf, der unter einer der Herdstellen gefunden wurde. Dr. Brandt erläutert die Besonderheit dieses Fundes: "Wir haben es hier mit einem Herdopfer zu tun. Die im Topf befindlichen Substanzen waren dem Volksglauben nach Zaubermittel und sollten dazu dienen, Schaden von Haus und Bewohnern fernzuhalten." Manche Opfer dienten auch dem Gegenteil: "In diesem Fall wurden Katzenköpfe, Kräuter, Exkremente und Knochen in einem Topf unter der Haustür vergraben. Zum Beispiel bei einem unliebsamen Nachbarn."

Archäologisches Museum Hamburg Harburger Rathausplatz 5, 21073 Hamburg, T. 042871-24 97, Do-So 10-17 Uhr, Führungen So 11 Uhr, Eintritt 3 Euro, Besucher bis 18 J. frei; www.archäologisches-museum-hamburg.de