Seit 1929 wird das Hamburger Hafenkonzert ausgestrahlt. Jetzt widmet das Internationale Maritime Museum der ältesten bestehenden Rundfunksendung der Welt eine Ausstellung.

Wahrscheinlich wird Kurt Esmarch in der Nacht vom 8. zum 9. Juni 1929 nicht besonders gut geschlafen haben. Der frühere Seemann, der jetzt für die Nordische Rundfunk AG (die Norag) arbeitet, hat sich schon im Morgengrauen zum Hafen aufgemacht, wo er an Bord des Dampfers "Antonio Delfino" geht. Schon in den vorangegangenen Tagen hat man hier viel zu tun gehabt; Sendeausrüstungen und Musikinstrumente aufgebaut, Hilfskräfte eingewiesen, Kabel und Stromleitungen verlegt.

Schließlich treffen die Herren des Altonaer Symphonieorchesters auf dem noblen Überseedampfer der Hamburg-Süd ein, stimmen ihre Instrumente und warten mit etwas mehr Lampenfieber als sonst auf den Beginn des allerersten Hamburger Hafenkonzerts. Pünktlich um sechs Uhr tritt Kurt Esmarch an das einzige vorhandene Mikrofon und begrüßt die Norag-Hörer zu einer Sendung mit maritimer Musik, die aufgrund der primitiven Sendebedingungen allerdings etwas dürftig klingt. Weder Esmarch noch sein Chef, der Norag-Intendant Hans Bodenstedt, kommen auf die Idee, dass sie gerade die Geburtsstunde der erfolgreichsten Radio-Show der Welt erleben. Doch beide glauben zumindest daran, dass die Idee ausbaufähig ist. Für die zweite Sendung, die am 16. Juni 1929 von Bord der legendären "Cap Polonio" ausgestrahlt wird, spannen die Techniker eine Plane über das Deck, in der Hoffnung, dass die Streicher besser klingen würden. Doch der akustische Erfolg bleibt bescheiden. Deshalb spielt fortan ein reines Blasorchester, das sich auch unter den primitiven Bedingungen ausreichend Gehör verschaffen kann.

Das Hamburger Hafenkonzert, das im vergangenen Jahr sein 80. Jubiläum feiern konnte, ist jetzt Thema einer Sonderausstellung im Internationalen Maritimen Museum, die dem Mythos dieser ältesten noch regelmäßig ausgestrahlten Radiosendung der Welt mit historischen Dokumenten, Bildern und den Erinnerungen von Radiomachern- und -hörern nachspürt. In einer "Hörbar" können die Ausstellungsbesucher Musik, Reportagen und Hafenkonzert-Geschichten aus allen acht Jahrzehnten erleben. "Liebe Hörerinnen und Hörer, wir grüßen sie alle in nah und fern, in Stadt und Land, in Nord und Süd, in Ost und West, an der See und auf der See, diesseits und jenseits des Äquators. Wir grüßen alle unsere Hörer im In- und Ausland, un all uns leven plattdüütsche Landslüüd binnen und buten", so hieß der traditionelle Begrüßungsspruch des Hafenkonzerts, das tatsächlich nicht nur in Hamburg und Norddeutschland, sondern an vielen Orten der Welt gehört wird. "Eine Sendung, die nach Tang und Teer riecht, in der die See zu den Hörern spricht, die See und die Männer, die sich ihr verschrieben haben", das hatte Hans Bodenstedt seinem Redakteur Kurt Esmarch als Aufgabe gestellt. Und dieses Konzept erwies sich als unglaublich erfolgreich - bis zum heutigen Tag.

Dabei standen die Zeichen für das Hamburger Hafenkonzert nicht immer gut: Die Nationalsozialisten schalteten den Sender gleich, die beliebte Sendung wurde nun vom Reichssender Hamburg übernommen. Nach dem Krieg und der Zerstörung von Stadt und Hafen dachte zunächst niemand an eine Sendung mit Seefahrtsromantik. Doch schon 1947 nahm der von den Engländern gegründete NWDR das Hamburger Hafenkonzert wieder auf, am Mikrofon stand wie in alten Zeiten Kunst Esmarch, der die Sendung bis 1964 leitete. Stars wie Freddy Quinn und Heidi Kabel waren hier zu Gast, neben Musik gab es in der Sendung, die heute vom NDR produziert wird, nun auch Interviews, Reportagen und Geschichten, die Landratten gelegentlich wie Seemannsgarn vorkommen - und zwar stets sonntags von sechs bis acht.

Mehr als einmal stand das Hafenkonzert vor dem Aus, aber es hat Krisen, Kriege, politische Umbrüche und die Angriffe des Zeitgeistes überstanden, der sich allzu oft als unzeitgemäß erwies. Die sonntägliche "Seefahrt durch den Äther" ist nicht nur geblieben, sie hat längst Kultstatus erlangt, genauso wie das Geläut des Michel, das jeweils kurz nach sechs zu Beginn der Sendung ertönt.

Produziert wird das Hafenkonzert heute nicht mehr nur auf Schiffen, die in Hamburg vor Anker liegen, sondern zum Beispiel auch im Schulauer Fährhaus in Wedel und - seit 2008 - regelmäßig im Internationalen Maritimen Museum Hamburg. Das ist schon deshalb ein passender Ort, weil auch das Hafenkonzert nicht nur hamburgisch, sondern eben auch international ist. Die Kultsendung wird von NDR 90,3 ausgestrahlt, ist aber auch über Satellit und Internet zu empfangen. Gerd Spiekermann, der die Sendung im Wechsel mit Kerstin von Stürmer und Christoph Schumann moderiert, erzählt davon, dass immer wieder Besucher aus Namibia und Australien zu Besuch kommen. "Dort gibt es Partnersender, die unser Hafenkonzert regelmäßig übernehmen. Wenn die Sendung in Namibia läuft, steht das Leben in der deutschen Gemeinde still."

Heimat - Hafen - Konzert. Acht Jahrzehnte der Hamburger Radio-Legende 5.2.-28.3., Internationales Maritimes Museum, Kaispeicher B, Koreastraße 1, Di/Mi, Fr-So 10-18, Do 10-20 Uhr; www.internationales-maritimes-museum.de