Mit 80 Werken aus deutschen und internationalen Sammlungen zeigt das Bucerius Kunst Forum eine Ausstellung zur Kunst des Trompe-l'œil und seiner langen Geschichte.

"Flucht vor der Kritik" heißt ein Gemälde, auf dem der Spanier Pere Borrell del Caso 1874 einen Knaben darstellt, der dabei zu sein scheint, buchstäblich aus dem Bild zu steigen. Es ist vor allem deshalb ein verblüffendes Motiv, weil hier eine Grenze überschritten zu werden scheint: Ein Porträt macht sich selbstständig, der Porträtierte verlässt den angestammten Kunst-Raum und ist dabei, ins reale Leben zu treten.

Schon seit der Antike waren Künstler von dieser Art der Grenzüberschreitungen fasziniert und haben im Lauf der Kunstgeschichte immer wieder Werke geschaffen, mit denen sie danach trachteten, die Trennung zwischen Sein und Schein, zwischen Kunst und Leben aufzubrechen oder gar zu überwinden.

Trompe-l'œil bedeutet auf Französisch Augentäuschung, ist aber zugleich die Gattungsbezeichnung für eine illusionistische Kunst, die ihre Betrachter dazu verleiten soll, das Dargestellte mit dessen natürlichem Vorbild zu verwechseln. "Täuschend echt - Illusion und Wirklichkeit in der Kunst" heißt eine Ausstellung, mit der sich das Bucerius Kunst Forum ab dem 13. Februar der Kunst und der langen Geschichte des Trompe-l'œil widmet. Gezeigt werden etwa 80 Werke aus deutschen und internationalen Sammlungen, die eine erstaunliche Kontinuität der "künstlerischen Täuschungsmanöver" von der Antike bis zur Gegenwart dokumentieren und zugleich eine enorme stilistische Bandbreite aufzeigen.

So sind antike Mosaiken, mittelalterliche Buchmalereien, Werke von Lucas Cranach d. Ä. und Peter Paul Rubens und Naturabgüsse aus der Zeit des Manierismus ebenso zu sehen wie die berühmten Beispiele des 17. Jahrhunderts, als Künstler wie Samuel van Hoogstraten und Cornelis Gijbrechts die malerische Augentäuschung zu höchster Meisterschaft führten. Skulpturen von Andy Warhol und Jasper Johns oder auch die verblüffenden Foto-Kunstwerke von Thomas Demand zeigen andererseits, dass das Thema Künstler bis heute fasziniert und inspiriert.

Für Bärbel Hedinger, die Gastkuratorin der Ausstellung und frühere Direktorin des Altonaer Museums, ist das Trompe-l'œil "eine moderne Gattung seit der Antike". Aber worin liegt die große Faszination dieses Genres begründet? Geht es nur um die Verblüffung genarrter Betrachter, um eine humorvolle Unterhaltung? Oder um den Beweis außerordentlicher handwerklicher Meisterschaft?

Die Motive der Künstler sind vielschichtig und das spielerische Moment hat hier natürlich eine besondere Bedeutung, doch das allein ist nicht ausschlaggebend. Der römische Gelehrte Plinius der Ältere berichtet von einem Künstlerwettstreit in der Kunst der Täuschung. Dabei sei es dem Maler Zeuxis gelungen, Weintrauben so echt zu malen, dass sogar Vögel danach pickten.

Sein Künstlerkollege Parhassios übertraf ihn aber, indem er einen Vorhang so naturgetreu zu malen verstand, dass Zeuxis ihn zur Seite ziehen wollte, um ein vermeintlich dahinter befindliches Bild zu sehen. Früchte und Vorhänge gehören zu den beliebtesten Motiven auf Trompe-l'œil-Bildern, die häufig wie Stillleben wirken und auf denen Gegenstände auftauchen, die den Betrachtern aus ihrem Alltag vertraut sind.

Eine eigene Gattung sind die Quodlibets, auf denen zum Beispiel Briefe, Schreibfedern, Kämme, Brillen, Siegel, Scheren, Schmuckstücke und andere Alltagsgegenstände zu einem Ensemble vereint werden. Maler wie der Niederländer Samuel van Hoogstraten verstanden es, die Dinge so wirklichkeitsgetreu darzustellen, dass man fast danach greifen möchte.

Hat hier ein Künstler sein ganzes Können in den Dienst einer amüsanten, aber am Ende dann doch eher belanglosen Verwechslungsstrategie gestellt? "Keineswegs", meint Bärbel Hedinger, die nachweist, dass gerade Hoogstraten, der das Trompe-l'œil im 17. Jahrhundert zu höchstem Ansehen führte, sehr genau über die philosophische Dimension seiner Kunst nachdachte. "Für ihn war der Aspekt der Täuschung untrennbarer Bestandteil der Kunst. Die Malerei als Schwester der reflektierenden Philosophie wolle die sichtbare Welt abbilden, daher sei es ihr Bestreben, die Natur zum Verwechseln ähnlich darzustellen. In diesem Sinne sei Kunst ohne Täuschungsmanöver gar nicht möglich", schreibt die Kuratorin in einem Beitrag des Katalogs.

In den fürstlichen Kunst- und Wunderkammern gehörten künstliche Früchte, die man gelegentlich auch Gästen höfischer Tafeln vorsetzte, zu den beliebtesten Objekten. Natürlich ergötzte man sich an der Verblüffung der hinters Licht geführten Tafelrunde, stellte sich aber beim Anblick der künstlichen Früchte immer auch die Frage nach Illusion und Vergänglichkeit.

Was in unserer Welt ist überhaupt real und was nur eine Täuschung der Sinne? Wie weit können wir unseren Sinnen und unserer Wahrnehmung trauen? Das Trompe-l'œil war stets mit der Frage nach der Wirklichkeit verbunden und bot oft genug die Chance, über einen "Praxistest" philosophische Fragen zu thematisieren. "Die Täuschung ist der Umweg, der zur Wahrheit führt", meint Bärbel Hedinger.

Täuschend echt. Illusion und Wirklichkeit in der Kunst 13.2. bis 24.5., Rathausmarkt 2, 11-19, Do bis 21 Uhr