Moderator Yared Dibaba erlebte den Krieg in Äthiopien und das Landleben in Deutschland. Das prägte ihn - auch im Glauben.

Wie kann man morgens früh schon so unverschämt gute Laune haben? Der Wirt im Ottensener Café stellt verschlafen die Stühle runter, die Espressomaschine ist noch nicht warm gelaufen. Doch Yared Dibaba steht mit strahlendem Lächeln in der Tür. Dieses Megawattlächeln ist sein Kapital: Ob in Talkrunden, Kuppelshows für Bauern oder Reportagen über Plattschnacker in aller Welt - der Moderator kommt gut an. Ein Mann, der mit sich im Gleichgewicht zu sein scheint.

Aber definitiv ein Mann mit Gottvertrauen. Ein Leben ohne Gott? Undenkbar für den 40-Jährigen. "Jeder Mensch braucht doch etwas, woran er glauben kann." Vielleicht ist dies seine Erkenntnis aus einem Leben, das für ihn nur wenige Gewissheiten bereitgehalten hat. Einem Leben zwischen Flucht und fremder Heimat, zwischen Schwarz und Weiß, zwischen Deutschland und Äthiopien.

Halt hat ihm dabei sein stabiles christliches Elternhaus gegeben. Bereits die Großeltern waren evangelisch, Yared und seine Geschwister wurden getauft, die christlichen Feste gefeiert. "Gott war immer da", sagt er schlicht. Mit dem drohenden Machtwechsel in Äthiopien wurden die Zeiten unruhiger. Als dem Vater ein Stipendium an der Uni Osnabrück und der Mutter eine Ausbildung zur Krankenschwester angeboten wurden, nutzten sie die Chance, mit ihren zwei kleinen Söhnen nach Deutschland zu gehen. Für den damals vierjährigen Yared war der Umzug in die kalte deutsche Provinz ein Schock - nur noch weiße Gesichter! Doch nach kurzer Zeit hatten sich die beiden eingewöhnt. Als sie 1976, drei Jahre später, nach Äthiopien zurückkehrten, hatte Yared seine Muttersprache verlernt.

In Addis Abeba baute der Vater den Radiosender der evangelischen Mekane-Yesus-Kirche auf, die Familie wohnte auf dem Gelände der Mission. Auch hier war die Eingewöhnung nicht leicht, zumal sich die politische Lage verschärft hatte. Den Terror durch Hausdurchsuchungen, willkürliche Verhaftungen und ständige Angst erlebte die Familie am eigenen Leib. "Auf der einen Seite war es eine tolle Kindheit, viel Zeit und Raum zum Toben", erzählt Yared Dibaba. "Auf der anderen Seite sind die schrecklichen Eindrücke vom Bürgerkrieg."

In dieser Zeit begann der damals Achtjährige an Gott zu glauben. "Ich lag mit einer Tropenkrankheit im Krankenhaus", erinnert er sich. "Draußen wurde geschossen, ich hatte große Angst." Da begann er in einem Buch zu lesen, "Kindergebete an den lieben Gott". "Ich habe gebetet, dass Gott mir helfen soll." Das habe sehr getröstet.

Und es bestärkte ihn darin, Gott darum zu bitten, die Familie aus dem Bürgerkrieg herauszuholen. "Ich wollte unbedingt wieder nach Deutschland", erzählt er lachend. "Das hat dann ja auch geklappt. Seither habe ich einen Deal mit Gott, auf Lebenszeit!"

Über Kenia flüchtete die Familie zurück nach Deutschland. Im niedersächsischen Falkenburg lernte Yared Dibaba Plattdeutsch und erlebte eine erstaunlich normale deutsche Landjugend.

Trotzdem habe er manchmal auch an Gott gezweifelt, sagt er und erzählt von einem Kirchgang mit seiner Tante in Addis Abeba. "Der Weg war gesäumt von Leprakranken und hungernden Kindern. Da dachte ich: Wo ist Gott hier?"

Im Nachhinein glaube er, dass Gott ihm geholfen habe, mit diesen Erlebnissen zu leben und nicht daran zu zerbrechen. "Die Narben bleiben", sagt er nüchtern. "Aber ich habe gelernt zu akzeptieren, dass das Leben beide Seiten hat. Und ich weiß, dass ich wahnsinniges Glück hatte, dass ich noch lebe."

Mit der Kirche allerdings tut er sich nicht so leicht wie mit dem Glauben. "Den Glauben mache ich mit mir selber klar", sagt er. Vielleicht auch, weil ihm hier eine Tiefe der Emotionalität fehlt, die er auf seinen Reisen in US-Kirchen gefunden hat.

Immerhin, ein Experiment wird er wagen. "Mein Kollege Gerd Spiekermann ist Laienprediger und hat mich gefragt, ob ich auch mal eine Predigt halten will." Vorsichtig hat er zugesagt, nun müssen sie noch einen Termin finden.

Ein regelmäßiger Kirchgänger ist Dibaba nicht geworden. Mit seinen beiden kleinen Söhnen geht er ab und zu in die Kirche. "Dann zünden wir Kerzen an und erzählen Gott, worüber wir uns freuen", erzählt er. Vielleicht sollte er den beiden mal von seinem Deal mit Gott erzählen ...