“Bioraffinerie 2021“ nennt sich ein Forschungsprojekt, in dem Technologen verschiedener Fachrichtungen zusammen die Weichen für die Zukunft stellen.

Verfahrenstechnikern bieten sich viele Möglichkeiten. Während ihres Studiums können sie zwischen Fachrichtungen wählen wie mechanische, chemische oder thermische Verfahrenstechnik, nach ihrer Ausbildung sind sie beispielsweise im Flugzeugbau, in Werften oder in Raffinerien tätig. Oder sie können Deutschlands jüngster Professorin der Ingenieurwissenschaften nacheifern. Diesen Titel konnte Professor Irina Smirnova im letzten Jahr für sich beanspruchen, als sie mit 31 Jahren in Erlangen den Ruf an die Technische Universität Hamburg-Harburg (TUHH) erhielt und die Leitung des Instituts für Thermische Verfahrenstechnik übernahm.

Zu den Forschungsfeldern des Instituts, das aus zwei wissenschaftlichen Gruppen besteht - Professor Smirnova und Professor Rudolf Eggers - gehören experimentelle und theoretische Arbeiten auf Gebieten wie Hochdrucktechnik, Thermodynamik biorelevanter Systeme, Downstream Prozesse oder Energieverfahrenstechnik. "Grob gesagt geht es in der Thermischen Verfahrenstechnik darum, verschiedene Gemische in ihre einzelnen Bestandteile zu trennen. So ist beispielsweise Erdöl ein Gemisch aus dem wir etwa Heizöl oder bleifreies Benzin gewinnen", erklärt Smirnova. Dabei ist stets die größtmögliche Reinheit der Bestandteile das Ziel - jedenfalls so rein, wie es der Kunde bereit ist zu bezahlen. "Den Aspekt der wirtschaftlichen Optimierung behalten wir ebenfalls im Blick."

Während Smirnova als Verfahrenstechnikerin mit dem Vorgang des Trennens beschäftigt wäre, hat sie als Professorin vorwiegend Manageraufgaben. Dazu gehört auch das Einwerben von Geldern. "Ich schreibe zahllose Forschungsanträge oder präsentiere geplante Projekte vor verschiedenen Geldgebern."

Ein Projekt, das sowohl vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wie auch von den beteiligten Unternehmen aus der Industrie finanziell getragen wird, ist das Forschungsprojekt Bioraffinerie 2021, das sich der innovativen Energie- und Stoffgewinnung widmet. Smirnovas Institut ist einer von neun Hochschulpartnern - allein sechs gehören zur TUHH. "In diesem Projekt arbeiten wir daran, einen Mehrwert aus Abfallströmen zu schaffen", sagt die Professorin und nennt als Beispiel Stroh, das heute meist noch verfeuert oder in der Landwirtschaft verwendet wird. "Wir aber schauen, was lässt sich noch damit machen? Wie lässt es sich alternativ nutzen? Man sollte nicht glauben, wie zuckerhaltig Stroh ist - und aus dem Zucker wiederum lassen sich zum Beispiel mithilfe von Mikroorganismen wertvolle Produkte gewinnen. Das beweist, wir können aus Abfall Wert schöpfen." Und das auch noch streng umweltfreundlich - ohne den Einsatz von Chemikalien.

Hier arbeitet die Verfahrenstechnik mit der Biotechnologie Hand in Hand. "Die Biotechnologen schaffen Grundlagen: Welche Enzyme brauchen wir zur Umwandlung? Die Verfahrenstechniker erarbeiten die Entwicklung der Prozesse und die technische Ausführung. Also Fragen wie: Welche Apparate brauchen wir? Mit welchen Temperaturen gehen wir um? Wo liegt die finanzielle Grenze?", erklärt Smirnova.

Diese Arbeit befasst sich intensiv mit Problemen, die Medien und Bevölkerung umtreiben. Wie gemacht also, um den dringend benötigten Nachwuchs für Naturwissenschaften zu begeistern? "Durchaus", ist Ralf Grote, Oberingenieur im Institut Technische Mikrobiologie, überzeugt. "Der beste Weg, Interesse für unser Arbeitsgebiet zu wecken, ist immer der Einblick in die Praxis."

Tatsächlich pflegt die TUHH Kooperationen mit 43 Schulen. "Im Rahmen dieser Kooperationen werden Klassen zu uns in die Labore eingeladen, und die Schüler erleben, was Chemie, Biologie oder Ingenieurwissenschaft in der praktischen Anwendung bedeutet." Oftmals führe das zu einem Aha-Effekt und zu einem ganz neuen Blick auf die Naturwissenschaften.

Das Forschungsprojekt Bioraffinerie 2021 bietet besonders gute Chancen, Begeisterung hervorzurufen - zumindest funktioniert es bei den Wissenschaftlern: "Sonst sind wir Naturwissenschaftler vielleicht etwas zurückhaltend und nüchtern - aber diese Arbeit ist einfach großartig", schwärmt Grote. "Wer wird schon Zeuge einer revolutionären Umwandlung? Und der Umstieg von Öl auf Biomasse ist revolutionär!"

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