Die Ausstellung “Unter unerforschlichen Meteoren“ setzt Ludwig Meidner in Beziehung zu Ernst Barlach.

Nackt kauernde Menschen, ausgeliefert den Launen der Elemente. Hinter ihnen toben Himmelsstürme. "Die Abgebrannten" von 1912 stehen sinnbildlich für das frühe Schaffen des Berliner Künstlers Ludwig Meidner (1884-1966). In seinen Untergangsszenarien und "apokalyptischen Gewimmeln" griff er Jahre vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs eine allgemeine Endzeitstimmung auf. Auf die Landschaften folgten großstädtische Trümmervisionen, durchsetzt von finsteren Gestirnen oder Granateinschlägen. Bilder von eigenwilliger, ja provozierender Schönheit.

Die existenzielle Ungewissheit und die Auseinandersetzung mit Religion und Skeptizismus bildeten den Kern seines Schaffens. In der Kunst und in der Poesie, wie er sie in seinen Büchern "Im Nacken das Sternemeer" oder "Septemberschrei" verfolgte. Darin ist er dem Bildhauer Ernst Barlach (1870-1938) verwandt. Auch Barlach schuf Schreckensbilder, Menschen in Ekstase oder Panik, dem Irdischen verhaftet und doch voller Sehnsucht nach Transzendenz. Und auch er schrieb bedeutende literarische Werke. Anlass für Karsten Müller, Leiter des Ernst Barlach Hauses, beide Künstler anhand von rund 100 Gemälden, Skulpturen und Zeichnungen in einen spannungsreichen Ausstellungsdialog zu stellen.

"Unter unerforschlichen Meteoren. Ludwig Meidner - Ernst Barlach", so der Titel der Schau, die das Haus bis zum 31. Januar kommenden Jahres zeigt. Es ist die erste umfassende Hamburger Ausstellung über den urbanen Expressionisten Meidner, der im Vergleich zu Künstlern der "Brücke" erst spät wiederentdeckt wurde. Begegnet sind sich Barlach und der 14 Jahre jüngere Meidner wohl nicht. Auch wenn beide ab 1907 in Berlin wohnten und gemeinsame Künstlerfreunde hatten. Barlach äußerte sich skeptisch über Meidners Kunst: "Er lädt immer viel Pulver in seine Kanone, es gibt immer eine gewaltige Explosion. Er weiß nicht, dass man auch sanft sein kann und dass das Sanfte sehr oft viel lauter ist als aller Kanonendonner."

Tatsächlich scheint die beiden auf den ersten Blick mehr zu trennen, als sie verbindet. Gilt Meidner als unruhiger, großstädtischer Rebell, der futuristisch zersplitterte Bilderwelten schuf, so erscheint Barlach eher als Einsiedler, aus dessen Werken eine kontemplative Askese spricht. Doch zeigt die Ausstellung jenseits solcher Klischees überraschende Parallelen.

Beide Künstler thematisieren den Menschen als problematisches, gefährdetes "Rätselwesen". Am deutlichsten spiegeln Meidners Selbstportäts diese Existenz am Abgrund. Hier ist er zum Beispiel als vom Messer durchbohrter "Selbstmörder" mit verbundenem Kopf zu sehen. Die zerrissene Künstlerpersönlichkeit steht zeichenhaft für den Menschen in der Moderne. Für dessen Leben "unter unerforschlichen Meteoren" fanden Meidner und Barlach epochale Bilder, in der Ausstellung sind die beiden Meister des deutschen Expressionismus neu zu entdecken.

Unter unerforschlichen Meteoren - Ludwig Meidner - Ernst Barlach bis 31. Januar 2010, Ernst Barlach Haus, Jenischpark, Baron-Voght-Straße 50a, T. 82 60 85, Di-So 11-18 Uhr, Buch 25 Euro; www.barlach-haus.de