Und mit Schauspieler David Kross erobert ein Bargteheider Hollywood, während Hollywood-Star Hardy Krüger nach Bargteheide kommt.

"Ritter Johnny" rückte an. Den musste ich sehen. Der Ahrensburger Marstall war knallvoll. Aufgekratzt prosteten sich wildfremde Menschen zu. Und dann war er da, Jonathan Meese, der Ritter der modernen Kunst. Er traf mich wie ein Blitz: irrer Blick, freundlichstes Lächeln und wilde Gedanken über wilde Bilder. Selbst Skeptiker staunten über das Happening der Selbstinszenierung.

Der Rittersmann der Avantgarde kam, siegte und entschwand. Der "Blaumann" kam, blieb und kämpfte. Die Massen bewegte das Geschöpf des Kieler Bildhauers Martin Wolke dennoch. Hunderte strömten zu Versammlungen. "Der verschandelt das Rondeel!" wetterten die einen. "Gar nicht schlecht", sagten andere. Leserbriefe füllten unsere Zeitung. Der Muschelläufer löste einen bis dahin einmaligen kulturpolitischen Streit aus. Rittersmann oder Blaumann? In Stormarn ist beides möglich. Und das ist toll. Provinz heißt eigentlich Umland, Kompetenzbereich. Zur Kulturlandschaft im Kreis Stormarn passt das perfekt.

Stormarn ist die Heimat vieler junger Wilder. Die Wiege von "Ritter Johnny" stand in Ahrensburg. Regisseur Detlev Buck wuchs zwischen Schwarzbunten in Nienwohld auf. Und der Bargteheider Shooting-Star David Kross wurde vom Sprungbrett Kleines Theater nach Hollywood katapultiert. "Dass er das geschafft hat, ist toll. Ich bin sehr stolz darauf", sagt Regisseurin Kirsten Martensen.

Aber der Kreis lockt auch arrivierte Künstler an. Vom verträumten Jersbek aus lieferte der renommierte Bildhauer Georg Engst seine riesigen Einrad-Bronzen nach New York. Der Bildhauer Siegfried Assmann hat sein Atelier in Großhansdorf. Und in Ahrensburg wirkte der Bildhauer Jürgen H. Block, dessen Schaffenskraft und klare Kante mich beeindruckten. "Warum soll nicht in einem hässlichen Amtszimmer ein gutes Bild hängen", sagte er, 95-jährig, keck. Längst kauft die Kulturstiftung Bilder regionaler Künstler auf.

Wer nicht in Stormarn lebt, gastiert: Hannelore Hoger, Ron Williams, Eva Matthes, Uwe Friedrichsen. Hardy Krüger war gerade in Bargteheide. Aber wer holt die Stars?

Dass Kultur in Stormarn gedeiht, ist vor allem das Verdienst der Bürger. Was wäre Ahrensburg ohne den Verein Theater und Musik und ohne die Niederdeutsche Bühne? Was wäre Bargteheide ohne die Maler des Kunstkreises und den Kulturring? Was wäre die Kreisstadt ohne die Oldesloer Bühne oder den Verein Bad Oldesloe macht Theater, der mit Bürgern Stadtgeschichte lebendig macht. Ammersbek, Barsbüttel, Stapelfeld, Großhansdorf - überall sind Ehrenamtler im Einsatz.

Was sie bewirken können, zeigt der Marstall. Unglaublich, aber hier war mal ein Teppichlager drin. "Wir haben zuerst in 1000 Stunden die scheußlichen Tapeten abgerissen", erinnert sich der erste Marstall-Vorsitzende Dietrich Albrecht. Die Bürger leisteten so viel, dass es für Stadt und Kulturstiftung peinlich gewesen wäre, nicht zu reagieren. Jetzt holt der Marstall Besucher aus Hamburg ran. Provinz? Ja, als Partner für die Metropole. Die Trittauer Wassermühle und das Reinbeker und Ahrensburger Schloss mischen auch kräftig mit.

Was war denn eigentlich früher so los? Ich blättere in den Ausgaben der Ahrensburger Zeitung von 1954 - mein Jahrgang. Unter der Überschrift "Kulturnotizen" der Hinweis auf die Gründung eines Schulvereins. Und etwas über Gina Lollobrigida. Das war's. Und jetzt? Welche eine Entwicklung!

Auf dem Rondeel saßen gestern wieder kälteerprobte Kaffeetrinker zu den Riesenfüßen des Muschelläufers. Er schien nicht zu stören. Offenbar findet nicht nur der Ritters-, sondern auch der Blaumann seinen Platz in einem lebendigen Kreis. Gut so. In Sachen Kino ist Ahrensburg leider mausetot. Was stand da in der Ausgabe von 1954? Central-Theater, Ahrensburger Lichtspielhaus, Kammer-Lichtspiele. Drei Kinos! Avantgarde hin oder her. In diesem Punkt wünsche ich mir: Zurück in die Zukunft!