Stadtmarketing anno 1953: Die Damen aus der Schlossstadt trugen opulente Kleider - und sie kamen mit Pferd und Wagen zum Hamburger Rathaus.

Zwei Fotos, ein und derselbe Ort. 56 Jahre, drei Monate und zwölf Tage liegen zwischen den beiden Aufnahmen. "Fast mein ganzes Leben", sagt Gisela Ritscher. Die heute 77-Jährige ist 21 Jahre alt und trägt noch ihren Mädchennamen Krüger, als sie im Hochsommer 1953 gemeinsam mit vier Gleichaltrigen im schulterfreien Biedermeierkleid auf dem Balkon des Hamburger Rathauses in die Kamera lächelt.

Ahrensburg hat zu diesem Zeitpunkt seit vier Jahren die Stadtrechte, Erika Keck ist Bürgermeisterin. Das Heimatfest steht bevor. "Ein bunter Jahrmarkt mit einem großen Umzug der Vereine", sagt Gisela Ritscher. Dafür sollen die fünf jungen Damen bei Hamburgs Bürgermeister Max Brauer werben. Schöner und wirkungsvoller hätte sich die Stadt nicht repräsentieren lassen können.

"Besuch beim Hamburger Bürgermeister" schreibt die Ahrensburger Zeitung in der Ausgabe vom 11. Juli 1953. Und weiter: "Die Einladung, die fünf junge Ahrensburgerinnen in Biedermeierkleidung im Namen ihrer Stadt dem Bürgermeister der Hansestadt Hamburg überbrachten, rückte Ahrensburg in das Blickfeld von Millionen."

Im Vierspänner fahren sie vor, werden zu Brauer ins Arbeitszimmer gebeten. Eine knappe halbe Stunde plaudern sie mit ihm über ihre Vaterstadt.

"Brauer war sehr ernst, die Atmosphäre gar nicht fröhlich, und ein Glas Sekt gab es auch nicht", sagt Gisela Ritscher rückblickend. Spaß gemacht hat es trotzdem.

Im selben Jahr heiratet sie auf dem Ahrensburger Standesamt, das seinen Sitz in einer alten Stadtvilla an der Großen Straße hat. Die Trauung in der Schlosskirche vollzieht Pastor Arnold Lensch, der die Braut auch schon getauft hatte - in ihrem Geburtsort Wesselburen (Kreis Dithmarschen).

Ihren Mann hat die Stormarnschülerin im Jahr zuvor beim Abiball im Lindenhof kennengelernt. In dem ehrwürdigen Restaurant an der Hagener Allee werden nach dem Krieg die ersten Schulfeste gefeiert, tritt die Theatertruppe der Stormarnschule mit Goethes "Urfaust" auf. Gisela Ritscher gibt das Gretchen.

"Es ist ein Jammer, dass die ganzen schönen Gebäude abgerissen worden sind", sagt Gisela Ritscher heute. Das Hotel Schadendorf am Alten Markt mit der schönen Holzveranda - Ahrensburgs feinste Adresse damals, der Fasanenhof an der Manhagener Allee mit dem großen Garten, der bis zum Bargenkoppelredder reichte oder das Parkhotel Manhagen. "Was haben wir da für Feste gefeiert!"

Sie spielt Theater, wird Mitglied bei der Niederdeutschen Bühne. Das junge blonde Frau geht gerne ins Kino am Alten Markt, mag Ufa-Stars wie Marika Rökk und Kristina Söderbaum, kauft im Wäschegeschäft Nessler, bei Schlachter Wagner am Rondeel und bei Prignitz an der Ecke Christel-Schmidt-Allee. "Das war der Bäcker in Ahrensburg". Sie feiert 1969 die Eröffnung des Rathausplatzes mit und ist, wie viele Ahrensburg, anfangs entsetzt über den Rathaus-Neubau. "Vieles hat sich gewaltig verändert. Aber liebens- und lebenswert ist Ahrensburg immer geblieben", sagt Gisela Ritscher. Für "ihre" Stadt würde sie jederzeit wieder die Werbetrommel rühren.