Nils Pichinot (20) hatte zwei verlockende Angebote und die Wahl zwischen einer Banklehre und Profifußball. Er entschied sich für das runde Leder - zunächst einmal.

Nils Pichinot ist Nachwuchsprofi beim FC St. Pauli. Dafür hat er eine Ausbildungsstelle abgelehnt. Ob das richtig war, weiß er erst in einigen Jahren.

Wer weiß schon direkt nach dem Abitur, welchen Beruf er mal ausüben möchte? Wer hat schon einen konkreten Plan? Die meisten lassen es langsam angehen. Vielleicht studieren, vielleicht eine Ausbildung, eine Weltreise oder ein soziales Jahr? Nils hatte jedenfalls keine konkreten Vorstellungen, als er im Sommer 2008 vom Direktor des Luisen-Gymnasiums in Bergedorf sein Abiturzeugnis in die Hand gedrückt bekam. "Ich hatte mir noch keine Gedanken gemacht, mir war aber eigentlich klar, dass ich eine 'normale' berufliche Karriere machen würde", sagt der 20-Jährige. Zivildienst musste er nicht leisten, er war wegen seines verkürzten rechten Beines ausgemustert worden.

Am Fußballspielen hinderte das den Mittelstürmer jedoch nicht. Er jobbte auf 400-Euro-Basis bei Sport-ABC, einem Bekleidungsgeschäft in Bergedorf und spielte in der Oberliga-Mannschaft vom SV Curslack-Neuengamme. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte der zurückhaltende Teenager keine Probleme, Fußball und Job unter einen Hut zu bringen. Dann bestritt er mit seiner Mannschaft ein Freundschaftsspiel gegen die Profis des FC St. Pauli. Von da an war der talentierte Mittelstürmer im Visier des Kiezklubs, der ihm schließlich ein Angebot unterbreitete. Er bekam einen Vertrag über zwei Jahre und sollte nebenbei eine Ausbildung machen. "Ich wurde hervorragend unterstützt vom Verein", sagt Nils, "man setzte sich mit mir zusammen und erläuterte mir meine Perspektiven." Dazu gehörte auch, dass sich der Klub bemühte, dem jungen Talent einen Ausbildungsplatz zu organisieren. Nach einem Gespräch mit Birgit Voigtländer und Claus Teister, die beim FC St. Pauli dafür sorgen, dass die Nachwuchsspieler mit beiden Beinen im Leben stehen, entschied sich Nils für eine Banklehre. Der Mathe-Leistungskurs sollte nicht umsonst gewesen sein. Er schrieb eine Bewerbung und wurde bei der Bank angenommen. Im August hätte es losgehen sollen. Doch es gab wieder ein verlockendes Angebot. Profi-Trainer Holger Stanislawski hatte in der Saisonvorbereitung zwei verletzte Stürmer zu beklagen und nahm Pichinot mit ins Trainingslager. Danach erklärte der Trainer ihm, dass er durchaus eine Perspektive in der Profimannschaft habe und dass er ihn zum Kader zähle.

Plötzlich stand Nils vor der Wahl. Sofort Profifußballer werden und mehr Geld verdienen oder erst mal abwarten, die Ausbildung machen und sich langsam an die Profimannschaft heranarbeiten? Für ihn war aber sofort klar: Die Ausbildung muss warten. Natürlich wollte er bei den Profis mitspielen. "Ich will mir später keine Gedanken machen müssen, dass ich eine große Chance verpasst habe."

Der Erfolg gibt ihm recht. Im ersten Saisonspiel (2:1 gegen RW Ahlen) war Pichinot mit seinem Siegtreffer in der Nachspielzeit der gefeierte Held. "Hätte Nils es nicht in die erste Mannschaft geschafft, hätten wir eventuell noch mal auf dem Transfermarkt tätig werden müssen", sagt St.-Pauli-Sportchef Helmut Schulte über den Zögling. So hat Pichinot seinem neuen Verein sogar schon Kosten erspart.

Doch "Pichi" ist klar, dass er den endgültigen Durchbruch noch nicht geschafft hat, dass er jederzeit wieder vor der Berufswahl stehen könnte. "Ich möchte mir früh genug ein zweites Standbein aufbauen", sagt er. Bei der Bank könne er dank der guten Beziehungen des Vereins auch zu einem späteren Zeitpunkt noch anfangen. Vielleicht macht er aber auch etwas anderes. "Ein Fernstudium, irgendwas im Sportbereich wäre auch schön." Vielleicht spielt er aber auch erst mal 15 Jahre Fußball und schaut dann weiter.