“Multiple City - Stadtkonzepte 1908-2008 // Hamburg“ präsentiert Städtebau im Spannungsfeld.

Sie führt als eine der großen Hamburger Verkehrsadern mitten durch die City: die Ludwig-Erhard-Straße. Eine typische Planung der Nachkriegszeit, angelegt in einer häuserleeren Schneise, die nach den Bombenangriffen im Zweiten Weltkrieg entstanden war. So pragmatisch die Entscheidung des Hamburger Senats 1950 für den Straßendurchbruch in die Innenstadt gewesen sein mochte, so umstritten ist sie heute. 1989 nannte der damalige Oberbaudirektor Egbert Kossak sie "eine für die baulich-räumliche Umwelt blinde Verkehrswegplanung der 60er-Jahre".

Die Erscheinung eines Stadtbildes ist nur ein Aspekt von Stadtplanung, - der in der Ausstellung "Multiple City. - Stadtkonzepte 1908-2008 // Hamburg" des Museums für Hamburgische Geschichte thematisiert wird. Um die Vielfalt des Phänomens Stadt geht es in der Schau, die das Museum im Rahmen des Hamburger Architektur Sommers in Zusammenarbeit mit der Hamburgischen Architektenkammer zeigt.

Die Ausstellung ist in einen internationalen und einen Hamburger Teil gegliedert. Die Präsentation "Multiple City - Stadtkonzepte 1908-2008 // Hamburg" übernahm das Hamburger Museum vom Architekturmuseum und Lehrstuhl für Städtebau und Regionalplanung der TU München. "Ziel ist es, die Vielfalt von Utopien, zeittypischen Positionen, Glaubenssätzen, Moden und Leitbildern vorzustellen, die sich bis heute in den stadtplanerischen Entwürfen spiegeln", sagt Museumsdirektorin Lisa Kosok.

In insgesamt 16 stadtbezogenen Schwerpunkten spannt der internationale Teil der Ausstellung einen Bogen von der frühen Gartenstadt Anfang des 20. Jahrhunderts über Stadtlandschaftskonzepte der frühen Nachkriegszeit bis zu heutigen "Urban Landscapes" und "New Towns" der 60er-Jahre bis zu Stadtneugründungen in China und zur konsumfreudigen "Pleasure City". Auf Skizzen und Entwürfen erhalten die Besucher Einblick in die Ideenwelten von Architekten und Stadtplanern. Auf großformatigen Fotografien können sie sich ein Bild von der Umsetzung und Weiterentwicklung früher Ansätze machen.

So ist unter dem Titel: "Region als Stadt/Netzstadt" der Plan "Broadcare City" von Frank Lloyd Wright zu bestaunen. Der amerikanische Architekt, der auch das legendäre Guggenheim-Museum in New York entwarf, arbeitete 1932 bis 1953 an seiner Vision von der Auflösung der Städte in ein regionales Netzwerk. Zur Grundvoraussetzung gehörte, dass jede Familie über ein Grundstück, ein Haus und ein Auto verfügt, was die individuelle Entfaltung und Mobilität der Bewohner garantiere. Diese Elemente der Utopie finden sich in modernen Stadtentwicklungen auf der ganzen Welt wieder, wie es die dem Entwurf gegenübergestellten Fotos belegen.

Auch im Hamburger Teil der Ausstellung blickt man auf 100 Jahre Stadtentwicklung. Sie beginnt mit dem prägenden Einfluss von Fritz Schumacher, der 1909 zum Oberstadtdirektor berufen wurde. Thematisch teilt sich die Schau in vier Blöcke. Unter dem Aspekt "Die gegliederte und aufgelockerte Stadt" ist etwa ein Entwurf von 1948 zu sehen, auf dem Architekt Wilhelm Ohm die Stadt nach Funktionen auffächert: in getrennte Areale mit Wohnbereichen, Geschäften und Grünflächen. Wie idyllisch sich Planer von Wohnhaussiedlungen das Wohnen im Grünen vorstellten, zeigt etwa eine Fotocollage aus den 70er-Jahren der Wohnungsbaugenossenschaft Saga. Hier erinnert die Großwohnanlage Osdorfer Born an eine Gebirgs-Silhouette. Vor der Siedlung grasen Kühe.

Die Schau liefert eine Menge Ansätze, die Entwicklung der Architektur kritisch zu hinterfragen. Der Schwerpunkt "Rückkehr in die Stadt" zeigt die gegenläufige Tendenz zum Häuschen oder der Siedlung im Grünen seit den 80er-Jahren. Nun werden auch größere Projekte wieder in den Städten realisiert, entstehen auf ausgedienten Fabrik- oder Hafengeländen, wie das jüngste Beispiel HafenCity zeigt. Umstrittene Bauvorhaben tauchen auch im Bereich "Die Stadt verändert ihr Gesicht" auf, etwa die Zusammenballung von Hochhausbauten auf innerstädtischen Flächen. Der vierte Themenblock ist dem Komplex "Sturmflut und Hochwasser" gewidmet. Die Naturgewalt des Wassers forderte die Stadtplaner schon immer heraus. Hier sind unter anderem moderne Modelle vom Bauen am Wasser zu sehen.

Der Reiz der Ausstellung liegt in der Vielfalt ihrer Darstellungen. Ihr vorrangig thematischer und weniger chronologischer Aufbau gibt Besuchern die Chance, benachbarte Aspekte zu erschließen. So empfiehlt Projektleiterin Dr. Sandra Schürmann: "Machen Sie einen Stadtbummel und lassen Sie sich von der Vielgestaltigkeit der Stadt faszinieren."

Multiple City - Stadtkonzepte 1908-2008 // Hamburg: Bis 15.11., Museum für Hamburgische Geschichte, Holstenwall 24, Di-Sa 10-17, So 10-18 Uhr.