Neuer Name, neues Konzept: Aus dem Helms-Museum wird ab 15. Mai das “Archäologische Museum Hamburg“. Die Macher wollen Wissen neu vermitteln.

Die Vergangenheit ist in diesen Tagen in der Hansestadt lebendiger denn je. Südlich der Elbe erwartet die Hamburgerinnen und Hamburger ein Kultur-Highlight, das in eine neue Ära weist. Nach einer mehrmonatigen Umbauphase öffnen sich am 15. Mai die Türen der von Grund auf veränderten Dauerausstellung des "Archäologischen Museums Hamburg". So lautet ab sofort der neue Name des Helms-Museums. Ein Leitwort, das das Museum bislang schon im Untertitel führte.

Die Wissenschaftler des Hauses haben ein richtungweisendes, innovatives Ausstellungskonzept entwickelt und eine Form der Präsentation geschaffen, wie sie in Deutschland einmalig ist. Auf einer zweigeschossigen Ausstellungsfläche von über 1300 m⊃2; werden die Besucher auf eine spannende Reise durch die Zeiten geschickt. Als optische Brücke zwischen den beiden Stockwerken dienen große Sichtfenster in der Decke. Diese "Fenster der Zeit" mit begehbaren, verglasten Böden ermöglichen es jederzeit, in die Vergangenheit wie in die Gegenwart zu schauen.

Jung und Alt können hier den Fragen nachgehen, die die Menschen seit jeher beschäftigen: "Woher kommen wir?", "Wer sind wir?", "Wohin gehen wir?" Die Antworten werden sie allerdings nicht in althergebrachten Vitrinen finden. Stattdessen sind die Besucher aufgefordert, selbst aktiv zu werden, durch Anfassen und Ausprobieren die Kulturgeschichte des Menschen zu erforschen. Hierzu dürfen sie an Knöpfen drehen, Hebel umlegen und durch Türspione schauen.

Im Gegensatz zu herkömmlichen Ausstellungen, die Historie chronologisch von der Erdgeschichte bis in die Neuzeit darbieten, ist das Archäologische Museum Hamburg in zeitübergreifende Themenschwerpunkte gegliedert. Durch diese verbindende Ordnung wird die kulturgeschichtliche Entwicklung von den Anfängen der Menschheit bis zur Moderne begreifbar. Museumsleiter Professor Rainer-Maria Weiss erläutert die besondere Idee des Ausstellungskonzepts: "Die Archäologie schlägt eine Brücke zwischen Gegenwart und Vergangenheit - und wagt gleichzeitig einen Blick in die Zukunft."

Vor 400 000 Jahren lag unsere norddeutsche Region unter einer dicken Eisschicht. Als die Gletscher, die bis zu 3000 Meter hoch sein konnten, sich zurückzogen, formte das Schmelzwasser die Elbe. In diese Phase der Urzeit werden die Besucher zurückversetzt. Durch eine Gletscherspalte betreten sie die Ausstellung. Vorbei an über 60 Schaukästen mit den schönsten und spannendsten Exponaten des Museums bewegen sie sich durch das Erdgeschoss. Hier unten lagert die geheimnisvolle Vergangenheit, das Dunkel, das kein Tageslicht erhellt.

Anschließend führt der Weg in das obere Stockwerk, wo sich die Geschichte bis zur Gegenwart fortsetzt. Große Panoramafenster bieten einen eindrucksvollen Ausblick auf den "Archäologischen Museumsgarten", eine Grünanlage mit Außenexponaten, und den belebten Harburger Rathausplatz. Die Grenzen zwischen Museums- und Außenwelt scheinen aufgehoben. Genau vor der Fensterfront befindet sich übrigens der größte HVV-Plan der Stadt. Er ist mit einer speziellen Kunstharzbeschichtung versehen und - begehbar! Sämtliche Verbindungen und Haltestellen des U- und S-Bahn-Netzes im Großbereich Hamburg liegen den Besuchern zu Füßen. Weiße Flächen zeigen die Stellen an, an denen die Archäologen fündig geworden sind. Direkt über den Markierungen ragen transparente Säulen aus dem Boden. Sie enthalten Exponate, wie sie beispielhaft für den jeweiligen Fundort sind. Knöpfe an Haltestangen wecken die Neugierde des Betrachters. Wer darauf drückt, hört eine Durchsage mit Informationen zum betreffenden Objekt.

Sammlungsschwerpunkt des Museums ist die Archäologie der Metropolregion Hamburg, die beispielhaft für die kulturelle Entwicklung in ganz Europa steht. Die hier entdeckten Hinterlassenschaften des Menschen führen die Besucher als Meilensteine durch die Jahrtausende. Die sechs Themenkomplexe, alle in unterschiedliches Licht getaucht, lauten: Werkstoff, Nahrung, Gewalt, Tod, Innovation und Mobilität. An den jeweiligen Meilensteinen sind charakteristische Exponate aus den Sammlungen des Museums zu bewundern wie Werkzeuge, Waffen, Urnen, Schmuck oder Geschirr.

Während die Jäger der Steinzeit ihre Beute mit Pfeil und Bogen erlegten, schwebt über ihnen ein in die Decke eingelassener Einkaufswagen. Denn der heutige Mensch geht zum Nahrungserwerb in den Supermarkt - zur Jagd auf Schnäppchen. Daneben ein Leichenwagen. Das Thema Tod ist in unserer Kultur weitgehend anonymisiert und verdrängt. Ganz anders die Begräbnisriten der Vorzeitmenschen. Mit solch einprägsamen Bildern und Symbolen wird Geschichte anschaulich und lebendig.

Bei der Umsetzung dieses richtungweisenden Museumskonzepts wurde für die Gestaltung ein kongenialer Kooperationspartner gefunden: die Firma Ravensburger, weltweit bekannt als Spiele- und Bücherverlag. Archäologie sollte, so forderten es die Museumsexperten, zu einer Erlebniswelt werden, gleichzeitig aber auch die wichtigen Aspekte von Wissensvermittlung und Forschung berücksichtigen. Der Leitgedanke der Archäologie und Bodendenkmalpflege: "Keine Zukunft ohne Vergangenheit. Aus der Vergangenheit für die Zukunft lernen", sollte deutlich werden, wie Professor Weiss erklärt.

Auch die museumspädagogischen Programme werden in neuem Ambiente stattfinden. Im Erdgeschoss wurden auf einer Fläche von ca. 290 m⊃2; drei Räume eingerichtet, die speziell auf die Bedürfnisse von Besuchergruppen, Schulklassen und Geburtstagsgruppen zugeschnitten sind. Damit die Museumsbesucher die geheimnisvolle Welt steinzeitlicher Höhlenkunst nachvollziehen können, wurde ein Raum zu einer Höhle gestaltet. Hier sind nicht nur nachempfundene Höhlenmalereien zu sehen, ambitionierte Besucher dürfen sich in dieser Kunst sogar selbst vor Ort erproben.

Je nach Wetterlage können Aktionen auch ins Freie verlegt werden, auf den archäologischen Kinderspielplatz gleich nebenan. Klettermammut und Kletterbaum, eine Rutsche, eine Holzhütte und ein Tobe-Areal schaffen ideale Bedingungen für einen sommerlichen Kindergeburtstag oder eine Erholungspause nach dem anstrengenden Flintsteinschlagen. Am Eröffnungswochenende werden die Räume des "Archaeologicums", wie die Museumspädagogen diese Abteilung nennen, mit einem Sonderprogramm eingeweiht.

Parallel zum Umbau der Dauerausstellung wurde die Fassade des Haupthauses am Museumsplatz erneuert. Das gemeinsame Foyer von Museum und Harburger Theater erhielt ebenfalls ein verändertes Aussehen. Im rundum verglasten Erdgeschoss entstand ein Gastronomiebereich. Das Restaurant hat eigene Öffnungszeiten, unabhängig von denen des Museums und des Theaters.

Bis zum Herbst werden die restlichen Baumaßnahmen am Museumsplatz abgeschlossen sein. In dem Freiraum zwischen Haupthaus und Dauerausstellung soll eine Museumsachse mit dem "Archäologischen Museumsgarten" entstehen. Und noch eine Veränderung ist zu erwähnen: Anfang 2011 wird die stadtgeschichtliche Abteilung ihren alten Standort an der Hastedtstraße aufgeben und ein neues Domizil im Haupthaus am Museumsplatz erhalten.

Neueröffnung der Archäologischen Dauerausstellung am 15. Mai 2009, Archäologisches Museum Hamburg, Harburger Rathausplatz 5, 21073 Hamburg, T. 040/428 71 24 97 oder T. 040/428 71 36 93, Di-So 10-17 Uhr geöffnet, Führungen So 12 Uhr, Eintritt 3 Euro, Kinder bis 16 Jahre frei; Infos im Internet unter www.helmsmuseum.de