Herbert Tobias hielt Eindrücke von der Ostfront genauso fest wie die Bohème der 50er-Jahre. Eine Retrospektive erinnert an den Fotografen.

Er gilt als der Rebell in der Fotografenszene. Und tatsächlich ist auch das Leben von Herbert Tobias (1924-1982) von radikalen Schritten und Exzessen geprägt. Auf dem Höhepunkt seines Ruhms als Modefotograf stieg er 1965 einfach aus. Weshalb er bis heute vom Vergessen bedroht ist.

Sein Lebenswerk kennzeichnet eine ungeheure Vielschichtigkeit, Intensität und eindringliche Poesie. Nun ist ihm eine umfassende Retrospektive im Haus der Photographie, in Kooperation mit der Berlinischen Galerie, gewidmet. Die Schau "Herbert Tobias - Blicke und Begehren" zeigt rund 200 Arbeiten aus der Zeit von 1942 bis 1980. Angefangen mit den Russlandbildern, die Tobias als 19-jähriger Soldat an der Ostfront aufnahm, über Stadtansichten von Paris und Porträts der Künstler-Bohème aus den frühen 50er-Jahren, bis hin zu fulminant inszenierter Modefotografie und den Männerbildnissen der 70er-Jahre beleuchtet die Ausstellung alle Facetten seines Werks.

Tobias war Autodidakt. Als Zehnjähriger begann er zu fotografieren, und schon die Aufnahmen an der Ostfront zeigen eine eindrucksvolle metaphorische Dichte. Später, in Paris, entstanden erste Modeaufnahmen für die Vogue. Nach Deutschland kehrt er 1953 zurück und macht sich in Berlin schnell einen Namen. Kritiker begeisterten sich für seine Fotografien und jauchzten: "Sie prickeln wie das lebendige Dasein, prall von Stimmung und pikanten Reizen." Neben den Auftragsarbeiten entstanden in dieser Zeit Bilder vom zerstörten Berlin. Frei von Pathos und Sentimentalität fing Herbert Tobias die absurde Poesie des Trümmeralltags ein.

Getrieben von einem unbändigen Lebenshunger gab er 1965 seinen Beruf als Modefotograf auf. Mit erotischen Männerbildnissen trat der bekennende Homosexuelle in den 70er-Jahren offensiv an die Öffentlichkeit. Ein weiterer mutiger Protest. Damals stand Homosexualität noch unter Strafe.

Herbert Tobias - Blicke und Begehren Deichtorhallen Hamburg/Haus der Photographie, Deichtorstraße 1-2, 7.5. bis 16.8., Di-So 11-18 Uhr, Katalog 35 Euro.