Prof. Kirsten Baumann, die neue Direktorin des Museums der Arbeit, spricht über bisherige Erfahrungen und neue Aufgaben.

Museumswelt:

Wie gut kennen Sie die Hamburger Museumslandschaft?

Prof. Kirsten Baumann:

Die Kunsthalle ist mir seit Langem vertraut. Da ich jetzt vom Bauhaus komme, habe ich natürlich eine Beziehung zum Museum für Kunst und Gewerbe. Ich kenne allerdings auch das Museum der Arbeit schon seit Jahren.

Museumswelt:

Und wie kam es dazu?

Baumann:

2001 habe ich an der Jahrestagung des Deutschen Museumsbundes teilgenommen, die hier im Museum der Arbeit stattfand. Die Stadt kenne ich durch Besuche und ihre Museen ein wenig.

Museumswelt:

Sie haben im Hauptfach Kunstgeschichte studiert und an renommierten Kunstmuseen gearbeitet, da erstaunt es ein wenig, dass Sie nun Direktorin des Museums der Arbeit werden.

Baumann:

Ich habe zwar in Bochum im Hauptfach Kunstgeschichte, aber in meinen beiden Nebenfächern Geschichte studiert, Neuere Geschichte und Mittelalterliche Geschichte. Schwerpunkte waren politische Geschichte und Sozialgeschichte des Kaiserreichs und der Weimarer Republik. Ich habe auch bei Helga Grebing am Institut zur Erforschung der Geschichte der europäischen Arbeiterbewegung studiert, daher ist es doch nicht so erstaunlich, dass ich zum Museum der Arbeit gegangen bin.

Museumswelt:

Gibt es Berührungspunkte zwischen Barmbek und Dessau?

Baumann:

Mehr als man auf den ersten Blick denkt. Zum Bauhaus gehören auch die Bauhaus-Bauten, zum Beispiel die Siedlung Dessau-Törten, die Walter Gropius Ende der 20er-Jahre gebaut hat. Dabei spielt auch die Erforschung von rationellen Bauweisen eine Rolle. Neben den sozialen und künstlerischen Aspekten war es ein zentrales Anliegen, die Rationalisierung im Bau- und Wohnungswesen zu forcieren. Und das ist ein Aspekt industrieller Arbeit. Darüber hinaus gibt es dort auch ein Experimental-Stahlhaus, das demnächst übrigens Teil der Route der europäischen Industriekultur werden wird. Bei diesem Stahlhaus handelt es sich um einen Bau, der mit vorgefertigten Elementen errichtet worden ist. Da haben wir wieder das Thema industrialisiertes Bauen. Es gibt also durchaus Anknüpfungspunkte. Bauhaus und Arbeit gehören ganz eng zusammen.

Museumswelt:

Die anderen Häuser Ihrer Stiftung sind stadtgeschichtlich oder archäologisch profiliert. Besteht nicht die Gefahr, dass Sie in diesem Verbund mit dem schwierigen Standort Barmbek und dem schwierigen Thema Arbeit ins Hintertreffen geraten könnten?

Baumann:

Was Barmbek betrifft, muss ich sagen, dass die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr einfach vorbildlich ist. Und in der inhaltlichen Ausrichtung des Museums der Arbeit besteht eher eine Chance: Es ist eben nicht nur ein stadthistorisches Museum und ein Museum der Hamburgischen Industriekultur, sondern geht weit darüber hinaus. Die Beschäftigung mit Arbeit als sozialpolitischem Phänomen kann meines Erachtens noch stärker in den Fokus gerückt werden, ohne dass man die anderen Aspekte deshalb vernachlässigt.

Museumswelt:

Wie meinen Sie das?

Baumann:

Da würde ich gern aus der Präambel des Vereins, der ja maßgeblich an der Gründung des Museums beteiligt war, zitieren: "Das Museum soll ein Ort öffentlichen Nachdenkens sein über die gesellschaftliche Bedeutung der Arbeit, die Faktoren ihres Wandels und die Gestaltungsmöglichkeiten in Gegenwart und Zukunft." Ich will den übergeordneten Blick auf das Phänomen Arbeit lenken, ohne die hamburgische Industriegeschichte zu vernachlässigen.

Museumswelt:

Was liegt Ihnen näher, der sozialgeschichtliche Blick oder die Faszination der Technik?

Baumann:

Das Kunststück besteht darin, beides zusammen zu bringen bzw. noch stärker zu verbinden.

Museumswelt:

Was planen Sie da genau?

Baumann:

Ich möchte den Blick auf die aktuelle wirtschafts- und finanzpolitische Situation viel stärker als bisher im Museum verankern. Das können zum Beispiel Veranstaltungsreihen sein, in denen über Phänomene wie die Finanzkrise diskutiert wird.

Museumswelt:

Welche Änderungen halten Sie derzeit für dringlich?

Baumann:

Die Dauerausstellung bedarf dringend einer Überholung. Man spürt inzwischen, dass sie in starkem Maße Kind ihrer Zeit ist. Nach zwölf Jahren ist es notwendig, für Veränderungen zu sorgen. Dabei geht es mir auch um die Inhalte, vor allem aber um das Ausstellungsdesign, das inzwischen dringend überholungsbedürftig ist. Ich würde das Haus auch gern ein wenig mehr zur Welt öffnen.

Museumswelt:

Was bedeutet das konkret?

Baumann:

Ich komme aus der Dessauer Provinz, habe aber an einer Institution gearbeitet, die als Unesco-Welterbe weltweit bestens vernetzt ist. Und jetzt bin ich in der Metropole Hamburg, dem "Tor zur Welt", in einem Haus, das trotz seiner Themenvielfalt noch zu wenig Internationalität ausstrahlt. Um es praktisch zu sagen, vorläufig gibt es im Museum der Arbeit nicht einmal englische Ausstellungstexte. Das sollten wir schnellstens ändern.

Interview: Matthias Gretzschel