Führung, Projekttag, Seminar oder internationaler Austausch: Breit gefächert ist das Bildungsangebot in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme.

Die unscheinbare Holzkiste hat einen rätselhaften Namen: "Das ist unser chinesischer Koffer", sagt Iris Groschek geheimnisvoll. Klingt nach Schatztruhe. Oder orientalischen Zaubertricks. Griffe aus Strick hängen an beiden Seiten. Das mysteriöse Objekt erinnert bei näherem Hinsehen eher an einen ausgedienten Munitionskasten. Die Gedenkstätten-Pädagogin klappt den Deckel hoch. Ein verbogener Blechteller liegt da. Die Emaille ist abgesprungen. Roststellen an den Rändern. Aus einem Putzlappen kollern Nägel und Patronenhülsen. Schwer liegt der braunrote schrundige Klinker in der Hand. "Das alles sind Fundstücke vom ehemaligen Lagergelände." Sofort hat der Besucher Bilder vom Leiden im Alltagsleben der Häftlinge im Kopf.

Wer die KZ-Geschichte aber noch nicht kennt, lernt sie im wahren Sinn des Wortes zu begreifen. "Wir nutzen den chinesischen Koffer als assoziative Methode, um an den Ort heranzuführen", sagt Groschek. "Jüngere Besucher kommen beim Malen oder Zeichnen eines Gegenstands auf die Spur von Fragen." Sie und ihr Kollege Oliver von Wrochem arbeiten seit Beginn des Jahres in der KZ-Gedenkstätte und machen sich Gedanken über verschiedene Konzepte für das Bildungsangebot der KZ-Gedenkstätte.

Das pädagogische Programm für Schulklassen der verschiedenen Stufen reicht von der einfachen Führung über das "Museumsgespräch" (zwei Stunden) und das "Projekt" mit besonderem Schwerpunktthema (drei bis vier Stunden) bis zum fünfstündigen Projekttag. Die beiden promovierten Historiker wollen forschendes Lernen fördern. Sie haben für Projekte Themen und Arbeitsbögen vorbereitet, um den Schülern die Möglichkeit zu geben, mit Leitfragen selbst die Antworten zu entdecken und Ergebnisse im Plenum zu diskutieren. Auf diese Weise sind etwa 1300 Gruppenführungen zu organisieren. Die Gebühren werden von 50 auf 30 Euro pro Klasse gesenkt. Denn die KZ-Gedenkstätte Neuengamme wurde zum 1. Januar des Jahres in die institutionelle Förderung innerhalb des Gedenkstätten-Konzepts des Bundes aufgenommen. Neuengamme zählt zu den Gedenkstätten von gesamtstaatlicher Bedeutung. Für Zwecke der Gedenkstättenpädagogik steht eine jährliche Zuwendung in Höhe von 80 000 Euro zur Verfügung.

Die Gedenkstätte bietet auch pädagogisches Material für Lehrkräfte an. Denn Veränderungen in der Erinnerungskultur und aktuelle Fragen der historisch-politischen Bildung erfordern neue Methoden der Vermittlung. "Wir müssen die Jugendlichen in der Erziehung zu Demokratie und Freiheit bei ihren Problemen abholen", meint der Leiter des Studienzentrums Oliver von Wrochem. "Die Distanz wird immer größer, Zeitzeugen sterben, doch die Gedenkstätten sind verpflichtet, die Erinnerung wachzuhalten." In der modernen Migrationsgesellschaft stellten sich ganz andere Fragen an die KZ-Geschichte. "Ausgrenzung, Antisemitismus und Menschenrechtsverletzung sind weit verbreitet. Jeder kann anhand der NS-Zeit etwas über die Gegenwart und seine Lebenspraxis lernen."

Der Zentrumsleiter organisiert nicht nur Fortbildungsseminare, wissenschaftliche Tagungen und internationale Jugendbegegnungen in Austausch-Programmen oder sommerlichen Workcamps. Er möchte auch Berufsgruppen ansprechen wie Eisenbahner, Krankenpfleger, Polizisten oder Werftarbeiter im Hafen, um die Auseinandersetzung über die Mitwirkung ihrer Institutionen am NS-Regime zu ermöglichen. Auch an den Nachwuchs denkt von Wrochem: "In Kooperation mit der Universität Hamburg entwickeln wir Weiterbildungskonzepte für Historiker und Erziehungswissenschaftler. Ich möchte Interessierte gewinnen, die hier länger arbeiten, im Archiv recherchieren, Quellen auswerten und sich sinnvoll in die Weitererforschung des Ortes einbringen."

Über Bildungsangebote der KZ-Gedenkstätte Neuengamme informiert ein Flyer und die Website : www.kz-gedenkstaette-neuengamme.de .

Führungen sowie Projekttage für Schulen sind über den Museumsdienst zu buchen unter T. 040/ 42 81 31-0 oder: info@museumsdienst-hamburg.de .