Die Rückgabe von Kunstwerken aus Museen an die Erben ihrer früheren Besitzer ist ein viel diskutiertes Thema.

Besonders spektakuläre Fälle, wie die Restitution von Ernst Ludwig Kirchners "Straßenszene" aus dem Berliner Brücke-Museum, die von den Erben kurz darauf für fast 30 Millionen Euro weiterveräußert wurde, haben heftige Kritik provoziert. Es gibt tatsächlich Fälle, in denen das Verhalten von Erben und die Urteile von Gerichten fragwürdig erscheinen. So ist zum Beispiel schwer zu verstehen, dass der Sohn des Plakatsammlers Hans Sachs die weltberühmte Kollektion, die sich jetzt im Deutschen Historischen Museum Berlin befindet, zurückfordert, obwohl sein Vater Anfang der 1960er-Jahre von der Bundesrepublik großzügig abgefunden wurde und er auf alle weiteren Ansprüche ausdrücklich verzichtet hat - und dass das Berliner Landgericht dem Erben erstinstanzlich dennoch recht gab.

Ungeachtet derartiger Irritationen darf freilich nicht in Vergessenheit geraten, dass wir es hier mit den Folgen des größten Kunstraubs der Menschheitsgeschichte zu tun haben: 1933-1945 haben die Nationalsozialisten zahllose jüdische Kunstsammler ihres Besitzes beraubt und viele von ihnen später ermordet. Auf oft verschlungenen Wegen gelangten gestohlene Kunstwerke in zahlreichen Ländern in die Museen. Beschämend ist die Tatsache, dass sich die allermeisten Häuser jahrzehntelang nicht für die Herkunft und die Erwerbungsgeschichte (Provenienz) ihrer Bestände interessiert haben. Erst 1998 verpflichteten sich viele Staaten - darunter auch die Bundesrepublik - dazu, die während der Zeit des Nationalsozialismus beschlagnahmten Kunstwerke zu identifizieren, deren Vorkriegseigentümer oder Erben ausfindig zu machen und eine "gerechte und faire Lösung" zu finden.

Die Hamburger Kunsthalle hat daraufhin als erstes und lange Zeit einziges deutsches Museum eine Stelle für die Provenienzforschung geschaffen. Aber auch sonst ist inzwischen einiges geschehen: Seit 2008 gibt es zum Beispiel bei der Stiftung Preußischer Kulturbesitz eine Forschungsstelle, die die Museen bei der Provenienzforschung fachlich und finanziell unterstützt. Nur wenn wirklich Klarheit über die Umstände der Erwerbung herrscht, können gerechte und faire Lösungen gefunden werden. Und dabei muss es sich keineswegs in jedem Fall um Restitutionen handeln.

Prof. Sabine Schulze, die Direktorin des Hamburger Museums für Kunst und Gewerbe, hält die Rückgabe von Raubkunst für eine selbstverständliche moralische Pflicht. Sie verweist aber auch auf einen anderen Aspekt: "In der Restitutions-Diskussion sollte allerdings auch anerkannt werden, dass Kunstwerke in Museen grundsätzlich gut aufgehoben sind. Denn hier, und meistens nur hier, werden sie der Allgemeinheit zugänglich gemacht und erhalten."

Ihr Matthias Gretzschel