Cameron Carpenter erhält den Leonard Bernstein Award

Vor seinen Konzerten macht er drei Dutzend Liegestütze. "Damit der Oberkörper gut durchblutet ist", sagt Cameron Carpenter. Die Auftritte des 29 Jahre alten Organisten setzen körperliche Fitness voraus, denn was Carpenter an der Orgel vollführt, ist hoch energetisch. Die alte Gleichung "Orgelkonzerte sind Kirchenmusik" hat er aufgehoben. Carpenter ist Showmann und Virtuose gleichermaßen, als "Horowitz der Orgel" ist er schon gelobt worden.

Eine Bühne oder Orgelempore betritt er in einem hautengen glitzernden Anzug voller Swarovski-Steinen. Selbst seine hochhackigen Schuhe sind mit dem bunten Strass beklebt. Mit diesen Schuhen hat es eine besondere Bewandtnis, denn Cameron stellt auch mit den Füßen alle traditionellen Spielweisen auf den Kopf. Wie ein Steptänzer tritt er auf die Orgelpedale und benutzt für sein expressives Spiel lateinamerikanische Tanzschuhe.

Dieser Ansatz ist so aufregend und neu, dass der Künstler in diesem Jahr den von der Sparkassen-Finanzgruppe gestifteten und mit 10 000 Euro dotierten Leonard Bernstein Award beim Schleswig-Holstein Musik Festival erhält. "Cameron Carpenter gehört zu den Ausnahmekünstlern unserer Zeit, der mit einer atemberaubenden Technik und einer beeindruckenden Stückauswahl fasziniert. Ich freue mich sehr, dass wir mit Cameron Carpenter sowohl einen Organisten als auch einen Komponisten auszeichnen, der eigene Wege geht und sein Instrument in nie gehörter Weise erklingen lässt", begründet Reinhard Boll, Präsident des Sparkassen- und Giroverbandes Schleswig-Holstein die Entscheidung einer hochkarätigen internationalen Jury. Frühere Preisträger waren unter anderem Lang Lang (2002), Martin Grubinger (2007) und Kit Armstrong (2010).

Der diesjährige Preisträger wurde 1981 in Pennsylvania als Sohn eines Ofenbauers geboren. Schon früh erhält er sowohl Tanz- als auch Musikunterricht. Sein Vater kauft ihm eine Hammond B3 Orgel und stellt sie in seinem Laden auf. Dort übt der Teenager und spielt auf einem Jazzinstrument barocke Kompositionen von Buxtehude und Bach. "Es herrschte dort eine besondere Atmosphäre, denn nebenan arbeiteten Männer, die Metall verarbeiteten. Dort konnte man üben als in einer Kirche", sagt Carpenter. Bereits als Teenager schreibt er seine ersten eigenen Kompositionen, später studiert er an der University of North Carolina und an der bedeutenden New Yorker Juilliard School of Music. Der junge Organist transkribiert mehr als 100 Werke für Orgel, unter anderem Gustav Mahlers 5. Sinfonie. Später bearbeitet er Klavierwerke von Chopin, Rachmaninow, Liszt und anderen für die Orgel.

Carpenter möchte, dass man seine Musik nicht nur hört, sondern auch sieht. Deshalb liegen seinen CDs auch DVDs von Konzerten oder Aufnahmesessions bei. Seine Auftritte sind Shows, aber auch Demonstration von atemberaubender Pedaltechnik und Fingerfertigkeit. 2008 hat Carpenter ein Album unter dem Titel "Revolutionary" veröffentlicht. Der Titel sagt viel über die Kunst des Amerikaners aus, als erster Organist wurde er dafür für einen Grammy nominiert. In seiner Freizeit hört er übrigens keine klassische Musik, sondern Popkünstler wie Kate Bush, Leonard Cohen oder Björk. Man darf gespannt sein, wann er sich deren Kompositionen zu eigen macht und sie auf seine Art interpretiert.

Leonard Bernstein Award 17.8. Lübeck