Der finnische Dirigent und Komponist straft allerhand Klischees Lügen

Es gibt den Grawemeyer Award für Psychologie, Religion und Erziehung, man kann ihn auch gewinnen, wenn man eine gute Idee zur Verbesserung der Weltordnung hat. Am bekanntesten und ältesten aber ist derjenige Grawemeyer Award, der für eine einzelne musikalische Komposition vergeben wird. Musikerfinder vom Kaliber eines György Ligeti, Pierre Boulez, György Kurtág oder einer Kaija Saariaho zählen zu den Preisträgern. In diesem Jahr bekam den Scheck über 100000 Dollar Esa Pekka Salonen, 53, für sein Violinkonzert. Er hatte das Werk zum Abschied seiner 17 Jahre währenden Tätigkeit als Chefdirigent des Los Angeles Philharmonic Orchestra geschrieben, Leila Josefowicz war die Interpretin bei der Uraufführung im April 2009 in der Walt Disney Concert Hall. Zum Saisonabschluss des NDR Sinfonieorchesters bringt Salonen sein Konzert nun nach Hamburg; Thomas Zehetmair spielt den enorm anspruchsvollen Solopart.

Marc Satterwhite, Jury-Vorsitzender und Professor für Komposition an der Universität von Louisville, die den Grawemeyer Award vergibt, nennt das Stück "derart aufregend, dass es einen vom ersten Takt an gefangen nimmt und bis zum letzten nicht mehr loslässt". Das liegt nicht nur an der Solostimme, die zwischen Furor, Rasanz, Süße und aschfahlen Passagen all das aufbietet, was man von einem Violinkonzert im Zeitalter aufgeklärten Virtuosentums erwarten kann. Salonen schuf auch einen extrem starken Orchestersatz, der dank unerhörter Farben und rhythmischer Vertracktheit recht probenintensiv sein dürfte.

Salonen, gelernter Hornist und in Finnland geboren, straft mit diesem Konzert manches auch von ihm selbst sorgsam gepflegte Finnland-Klischee Lügen. Dass ihm dies gelang, verdankt sich auch den kalifornischen Einflüssen auf seine Psyche. Der gemeinhin als stiller Brüter mit Hang zu schwermütigen Tangos und Hochprozentigem apostrophierte Bewohner des Nordrands von Europa präsentiert sich hier als von pazifischen Winden belebter und von der Sonne des amerikanischen Südens durchglühter Sinnenmensch.

Drei Wochen jünger als Thomas Hengelbrock, zählt auch Esa Pekka Salonen zu den Orchesterchefs neuen Typs. Autorität ausüben, ohne sich autoritär zu gebärden, Erster unter Gleichen sein, teilen, statt zu herrschen - mit dieser Einstellung trifft Salonen auf das spürbar mitwirkungsfreudige NDR-Orchester.

Nicht nur als Tribut an die große, untrennbar mit dem Namen Günter Wand verbundene Geschichte der NDR-Sinfoniker leitet Salonen außerdem eine Aufführung von Anton Bruckners 4. Sinfonie.

Abo-Konzert 14.6., 20.00, 17.6., 11.00, Laeiszhalle. Karten unter T. 0180/1787980* oder www.ndrticketshop.de