Chinesische Sinfonieorchester verbinden virtuos Altes und Neues, westliche und chinesische Musik

Shanghai war schon immer Chinas Tor zum Westen. Früher galt die Stadt mit ihrem Franzosen-Viertel und den vielen Art-Deco-Bauten als "Paris des Ostens"; heute ist Shanghai der Motor des chinesischen Wirtschaftsbooms. Direkt gegenüber der Uferpromenade "The Bund" mit seinen Prachtbauten aus den 1920er-Jahren wächst das futuristische Neubauviertel Pudong.

Weil die Stadt stets ein Brückenkopf des Westens war, schlug auch die europäische Konzertmusik in Shanghai tiefere Wurzeln als im Rest des Landes. Das 1879 gegründete Shanghai Symphony Orchestra ist das älteste und eines der renommiertesten Orchester Chinas. Wie wichtig diese Institution ist, sieht man auch daran, wer ihr vorsteht: Chefdirigent Yu Long ist der "Über-Maestro" des chinesischen Musiklebens. Obwohl noch keine 50, leitet Yu beinahe alles, was in der Klassikszene Rang und Namen hat: Das China Philharmonic Orchestra in Beijing, das Guangzhou (Kanton) Symphony Orchestra und das Shanghai Symphony Orchestra.

Was Yu Long anfasst, ist Chefsache. Zum Auftakt des China-Länderschwerpunktes spielt das Shanghai Symphony Orchestra nun unter Yus Leitung Werke zweier chinesischer Komponisten: das Konzert für chinesische Bambusquerflöte (Dizi) und Orchester von Guo Wenjing und das Klavierkonzert "Er Huang" von Chen Qigang. Außerdem stehen die drei sinfonischen Skizzen "La Mer" von Claude Debussy auf dem Programm (14.7. Kiel, 15.7. Hamburg).

Das Konservatorium in Shanghai ist eine der wichtigsten Ausbildungsstätten des Landes. Neben den westlichen Instrumenten wird hier auch traditionelle chinesische Musik gelehrt. Doch die jungen Musiker, die heute die Kniegeige Erhu oder die Oboe Suona erlernen, sind längst darüber hinaus, bloß die alten Weisen zu pflegen. Sie spielen Musik unserer Zeit und sind selbstverständlich auch in europäischer Musik bewandert. Und so meistert manch ein Erhu-Spieler seine archaische zweisaitige Spießgeige heute mit ebensolcher Virtuosität und Emotionalität wie ein exzellenter Konzertviolinist seine Guarneri. Was auf alten chinesischen Instrumenten alles möglich ist, zeigt das Shanghai Chinese Orchestra bei drei Konzerten (16.8. Rendsburg, 18.8. Meldorf, 19.8. Wotersen).

Das China National Centre for the Performing Arts (NCPA) ist ein futuristischer Kuppelbau aus Titan und Stahl direkt am Platz des Himmlischen Friedens in Beijing. Drei Säle mit zusammen über 5000 Plätzen befinden sich in diesem 2007 eingeweihten Gebäude. Im Jahr 2010 erhielt die aufsehend erregende Spielstätte auch ihr eigenes Hausorchester. Unter Leitung von Christoph Eschenbach wird das NCPA Orchestra nun mit dem Solisten Li Biao u.a. das Schlagzeugkonzert "The Rite of Mountains" von Guo Wenjing aufführen (24.7. Flensburg).