Für das Wetter übernehmen die Musikfeste auf dem Lande keine Garantie, für ein originelles Programm aber schon

So richtig perfekt wäre eine Landpartie zu den Musikfesten eigentlich erst, wenn man per Kutsche anreisen könnte. Das mag ein allzu nostalgischer Traum sein aber er würde doch sehr viel besser zu diesen romantischen Ausflügen in die schleswig-holsteinische Provinz passen als die Anreise per Pkw - und das auch noch zielsicher angesichts moderner Navigationsgeräte. In den Anfangstagen des Schleswig-Holstein Musik Festivals musste man wenigstens ab und zu noch einen Bauern nach dem richtigen Weg zum abseits großer Straßen gelegenen Gut Wotersen fragen.

Trotz fortschreitender Technisierung verkörpern die fünf Orte Idyllen, die sich nur noch selten finden. Die Musikfeste auf dem Lande bieten fünfmal die Gelegenheit, Picknickkörbe zu packen, sich völlig der Natur und der Kunst hinzugeben und Alltag und Großstadt hinter sich zu lassen.

Der Reigen der Musikfeste beginnt in diesem Jahr auf dem Gut Stockseehof mitten in der Holsteinischen Schweiz im Landkreis Segeberg. Das neoklassizistische Herrenhaus, seit 1926 im Besitz der Hamburger Kaufmannsfamilie Baur, ist von üppigen Obstbäumen und einer Parkanlage mit jahrhunderte alten Bäumen und grün schimmernden Teichen umgeben. Die geräumige Obsthalle wird während des Festivals in einen 2000 Zuschauer fassenden Konzertsaal verwandelt, in dem es in diesem Jahr zu einer Begegnung zwischen traditioneller chinesischer Musik und deutschem Landleben kommen wird. Für die Exotik auf dieser Obstplantage sorgen das Kammerensemble des Hangzhou Philharmonic Orchestra, das deutsch-chinesische Duo Seidenstraße, die Pianisten Jenny Lin und Miao Huang mit dem Cixi Ou Ensemble. Auf dem Programm stehen neben traditioneller chinesischer Musik Werke von Vivaldi, Piazzolla, Busoni und Brahms. Und nach dem Frühabendkonzert am Sonnabend lässt das Quartett des jungen Hamburger Saxofonisten Sebastian Gille den Abend mit Jazz ausklingen.

Nicht weit von Bad Segeberg entfernt liegt das nur knapp 100 Einwohner zählende Dorf Pronstorf. Das Lehnsgut existiert seit dem 14. Jahrhundert. Musiziert wird hier, wo seit Mitte des 19. Jahrhunderts das Vieh ein Dach über dem Kopf hatte: im Kuhstall. Inzwischen ist der Backsteinbau zu einem Konzertsaal umgebaut worden.

Beim Musikfest sind einige Nachwuchskünstler bei den jeweils einstündigen Konzerten zu erleben wie die Pianisten Madgalena Müllerperth und Aaron Pilsan, aber auch ein Superstar: Die Geigerin Viktoria Mullova kommt mit ihrem Projekt "Mullovas andere Saiten" in das idyllische Dorf. Mit ihrem Quintett, besetzt mit Violine, Cello, Klavier und zwei Perkussionisten, spielt Mullova einen Mix aus Klezmer, Jazz, Klassik und Weltmusik. Und zwischen den Konzerten lädt eine Wiese, eingeschlossen von Kuhstall, Herrenhaus und Torhaus, zum Picknicken ein.

Das dritte der Musikfeste findet auf Gut Emkendorf statt. Das Anwesen mit dem frühklassizistischen Herrenhaus wurde zwischen 1730 und 1745 errichtet. Die große Scheune auf dem Gelände dient dem Festival als Konzertsaal. Hier wird am 28. Juli der Förderpreis der Sparkassen-Finanzgruppe an die Preisträger des Bundeswettbewerbs "Jugend musiziert" im Bereich der Bläser vergeben. Außerdem spielt der Vorjahresgewinner Alexander Vorontsov, ein hochtalentierter Pianist. Das weitere Programm am Sonnabend und am Sonntag ist vielfältig und umfasst eine Palette aus Klassik, Jazz, Musikkabarett mit Tina Teubner und alten chinesischen Gesängen, dargeboten vom Laoquiang Ensemble.

Auch Hamburg ist Gastgeber eines Musikfestes. Ort ist die Holzhalle in der Baumschule Lorenz von Ehren in Marmstorf. Hier läuft ein "East meets West"-Programm, bei dem mongolische Obertonsänger auf ein europäisches Streichquartett treffen und ein spanisches Jugendorchester auf eine chinesische A-cappella-Gruppe.

Wer zum abschließenden Musikfest nach Wotersen fährt, der sollte für alle Fälle Regenjacke und Schirm einpacken, denn hier wird ausschließlich unter freiem Himmel musiziert. Die Musiker des Ten Hagen Quartetts oder des Ensembles Zhi Yin spielen unter den hohen und Jahrhunderte alten Bäume im Park um das Herrenhaus.

Vielen Fernsehzuschauern ist das im Kreis Herzogtum Lauenburg gelegene Gut ein Begriff, weil es jahrelang die Kulisse für die Serie "Das Erbe der Guldenburgs" bildete. Auch in Wotersen gastiert ein Ensemble aus dem Gastland China. Das Saxofonquartett "sonic.art" wird Bach und Debussy interpretieren, hinter der "JuiceBox" steckt eine spannende A-cappella-Truppe, und als besonderer Clou gehört ein GlasBlasSing Quartett zu diesem Open-Air-Musikfest in malerischem Ambiente. Das Ambiente ist bei jedem Musikfest garantiert - nur sommerliches Wetter leider nicht.

Die Musikfeste im Überblick:

Stocksee 14. und 15.7.

Pronstorf 21. und 22.7.

Emkendorf 28. und 29.7.

Hamburg-Marmstorf 4. und 5.8.

Wotersen 11. und 12.8.