Wie die Lübecker Museen den China-Schwerpunkt des Schleswig-Holstein Musik Festivals begleiten

"Im Jahr des Drachen", heißt das Motto des Schleswig-Holstein-Musik Festivals, dessen Länderschwerpunkt diesmal China gewidmet ist. Für die Lübecker Museen ist das Anlass, sich gleichfalls mit dem "Reich der Mitte" und seiner faszinierenden Kultur zu beschäftigen. Dabei geht es sowohl um die jahrtausendealte Tradition des fernöstlichen Landes als auch um aktuelle Kunst, die dort in der Spannung zwischen östlichen und westlichen Einflüssen entsteht.

Unter dem Titel "China - ein Land - eine Kultur - drei Ausstellungen" bieten die Kunsthalle St. Annen und das TheaterFigurenMuseum den Festival-Sommer über ein weit gespanntes Programm. Ganz "Im Zeichen des Drachen" steht die Präsentation mit Werken aus der sonst leider geschlossenen Lübecker Völkerkundesammlung. Aber schon bei flüchtiger Betrachtung der kostbaren Stücke aus dem umfangreichen Lübecker China-Bestand, zeigt sich, dass der Drache - in China seit Jahrtausenden Symbol des Kaisers und der männlichen Kraft - ein höchst merkwürdiges Wesen ist.

Drachentöter wie der heilige Georg in der christlichen Ikonografie sind in China unbekannt, denn der Drache, der aus den Hörnern eines Hirschs, dem Kopf eines Kamels, den Augen eines Hasen, dem Nacken einer Schlange, dem Bauch einer Muschel, den Schuppen eines Karpfens, den Klauen eines Adlers, den Tatzen eines Tigers und den Ohren eines Ochsen zusammengesetzt ist, gilt keineswegs als Ungeheuer, sondern als gutartiges Tier. Fast allgegenwärtig ist der Drache in der traditionellen chinesischen Kunst.

Man findet ihn auf kostbaren Textilien wie etwa einem aus Seide, Pflanzenfasern und Papiergold gefertigten Männergewand aus dem 19. Jahrhundert, das in der Ausstellung gezeigt wird und ein entsprechendes Dekor auf der Rückseite trägt. Aber auch auf fein bemalten Porzellantellern, Keramiken oder Metall und Holzarbeiten aus verschiedenen Jahrhunderten. "Die ungebrochene Anziehungskraft der traditionellen kulturellen Leistungen Chinas, das einmalige Phänomen der historischen Kontinuität, die Konstanzen seiner Entwicklung und vor allem die charakteristischen künstlerischen Leistungen meist anonymer Schöpfer, die über China hinaus nach ganz Ostasien ausstrahlten, werden in der Ausstellung ausschnittsweise illustriert", sagt Kuratorin Brigitte Templin zur Konzept der Ausstellung, die in der Kunsthalle St. Annen zu sehen sein wird.

Ein Mönch reist zum "westlichen Himmel", der im heutigen Indien liegt. Dort empfängt er Buddhas heilige Schriften, die er nach China zu bringen hat. Diese Geschichte, die der Dichter Wu Cheng'en während der Ming-Dynastie (im 16. Jahrhundert) unter dem Titel "Die Reise nach Westen" geschrieben hat, gehört nicht nur zu den klassischen Romanen der chinesischen Literatur, sie ist auch ein beliebter Stoff für das berühmte Schattentheater, dem in Lübeck gleichfalls eine große Ausstellung gewidmet wird.

"Im Reich der Schatten - Chinesisches Schattentheater trifft Peking-Oper" heißt der Titel der Schau, in der dem Besucher mit kostbaren Originalexponaten die Geschichte einer Kunstgattung vor Augen geführt wird, die für die mündliche Kulturtradition der bis ins 20. Jahrhundert hinein überwiegend leseunkundigen Bevölkerung Chinas enorme Bedeutung besaß. Während viele Kunstschätze und kulturelle Traditionen dem Sturm der Kulturrevolution Ende der 1960er-/Anfang der 1970er-Jahre des 20. Jahrhunderts zum Opfer fielen, blieb das Figurentheater weitgehend verschont, weil man meinte, das populäre Schattenspiel zur ideologischen Indoktrination des Volkes gut einsetzen zu können.

Die Ausstellung, an deren Umsetzung der in Hamburg lebende Künstler Xiamin Liu mitwirkte, stellte die enorme Vielfalt dieser wichtigen Volkskunst vor und zeigt interessante Bezüge auf. Etwa zur Peking-Oper, deren Stoffe auch im Schattentheater verarbeitet und aufgeführt wurden. Um dem Besucher eine lebendige Vorstellung von Theateraufführungen zu vermitteln, sind auch Filmaufnahmen chinesischer Schattenspieler zu sehen, die vor etwa zehn Jahren in der Provinz Sichuan produziert wurden. Begleitveranstaltungen thematisieren die Entwicklung dieser Kunstform bis in die Gegenwart.

Zurück in der Kunsthalle St. Annen, geht es ebenfalls um aktuelle chinesische Kunst, um Werke, die Xiasong Wang eigens für diese Lübecker Ausstellung geschaffen hat. "Unkontrollierte Ameisen" heißt der Titel der Schau, deren großformatige Bilder sich mit dem enormen Bevölkerungswachstum Chinas auseinandersetzen. Ameisengleich sind Menschenmassen auf den manchmal verstörenden Bildern des 1964 in Wuhan geborenen Künstlers dargestellt, der 1990 bis 1997 an der Berliner Hochschule der Künste studierte.

Heute gehört Wang Xiasong, der als Professor an der Zhejang-Universität lehrt, zu Chinas erfolgreichsten Künstlern. Seine Sicht auf die chinesische Gesellschaft ist kritisch, drückt sich weniger in verbalen politischen Äußerungen als in seinen Werken aus. Seine oft monochromen Bilder thematisieren die Spannung der gegenwärtigen sozialen Entwicklung, die von Überbevölkerung, aber auch vom individuellen Anspruch des Einzelnen geprägt wird.

In den Schlitzen, die in vielen seiner weitgehend monochromen Bilder zu finden sind, sieht Ausstellungskurator Thorsten Rodieck ein Symbol der weiblichen Vagina - und stellt einen Bezug zu Courbets 1866 entstandenem Gemälde "Der Ursprung der Welt" her - eine kühne These, deren Plausibilität sich beim Ausstellungsbesuch erweisen wird.

"Im Zeichen des Drachen - Impressionen aus dem alten China"

"Unkontrollierte Ameisen - Werke von Xiasong Wang" jeweils 8.7. bis 2.9., Kunsthalle St. Annen Lübeck, St. Annen-Str. 1, Di-So 10.00-17.00

"Im Reich der Schatten - Chinesisches Schattentheater trifft Peking-Oper" 13.7. bis 21.10. TheaterFigurenMuseum, Lübeck, Kolk 14, tgl. 10.00-18.00