Auf Barkassen die NS-Geschichte des Hafens kreuzen

Mauern sprechen nicht. Schöne Fassaden täuschen. Im Hafen sind es die ziegelrot leuchtenden Speicher, an den Ufern der Alster die elegant weiß getünchten Villen. Doch für Teilnehmer der Alternativen Hafenrundfahrt oder Alsterkanalfahrt - beide sind Sommerangebote der KZ-Gedenkstätte Neuengamme - werden die stummen Steine beredt, die undurchdringlichen Wände transparent. Sie erfahren bei der Fahrt über die Elbwasser etwas über die KZ-Außenlager, die Zwangsarbeit in der Rüstungsproduktion auf den Werften und den Widerstand im Hamburger Hafen zwischen 1933 und 1945. Herbert Diercks und Michael Grill berichten auch über die Ausbaupläne Hamburgs zur "Führerstadt": Wo heute der neue Elbtunnel verläuft, sollten 170 Meter hohe Pfeiler eine 50 Meter breite Trasse einer Elbbrücke tragen - als "Tor zur Welt" und ein gigantisches Wahrzeichen für Hamburg.

Dessen helle Prachtkulisse am Alsterufer hat ebenfalls vergessene dunkle Innenseiten: Das heutige US-Konsulat und das Budge-Palais an der Alster, jetzt Domizil der Musikhochschule, dienten dem Reichsstatthalter Karl Kaufmann (1900-1969) als Sitz der NSDAP-Gauleitung und der Reichsstatthalterei. Die Alsterkanalfahrt führt an der Kampnagel-Fabrik vorbei, die als Rüstungsbetrieb Zwangsarbeiter beschäftigte, hin zum Stadtparksee. Über die große Festwiese zogen am 1. Mai die Aufmärsche der Deutschen Arbeitsfront. Während des Krieges waren hier auch die größten Flak-Stellungen postiert.

An die Kriegstoten, die Ermordeten und Verfolgten des NS-Regimes erinnern Diercks und Grill auf Fahrradrundfahrten oder Literarischen Spaziergängen über den Ohlsdorfer Friedhof. Sie besuchen Grabstätten von jüdischen Künstlern und Widerstandskämpfern, aber auch das Gräberfeld für Opfer des Nationalsozialismus aus ganz Europa und den niederländischen Friedhof, wo mehrere 1000 Häftlinge bestattet sind. Besucht wird auch das große 1952 eingeweihte Mahnmal für die Hamburger Bombenopfer. Es zeigt Charon, der die Seelen der Toten über den Styx fährt, nach einem Entwurf des Bildhauers Gerhard Marcks. Die Skulpturengruppe im Nachen - vielleicht beim Vorbeigehen nur flüchtig angesehen - ist erst durch den Kontext in ihrer Bedeutung plastisch wahrzunehmen.

Ein neues Denkmal stiftet die französische Stadt Murat ihren am 24. Juni 1944 deportierten Bürgern im Gedenkhain der KZ-Gedenkstätte Neuengamme. In einer Vergeltungsaktion für den Widerstand gegen die nationalsozialistische Besetzung im Departement Cantal inhaftierten deutsche Soldaten 119 Männer zwischen 16 und 50 Jahren und transportierten sie über das Sammellager Compiègne nach Neuengamme.

Sie wurden von dort in Außenlager überstellt, die meisten nach Bremen-Farge. Nur 31 der 119 Deportierten überlebten. Auf Initiative der Nachkommen der Opfer erinnern am 7. Juni um 10.30 Uhr eine Gedenkfeier, zu der auch eine Gruppe Angehöriger aus Frankreich anreist, und die Enthüllung des Denkmals an die Ereignisse in Murat und das Schicksal der Häftlinge.

Aktuelle Veranstaltungen: Alternative Hafenrundfahrt, 3.6., 15.00; Alternative Alsterkanalfahrt 17.6., 15.00, Kosten 12,- Euro, Anmeldung erbeten unter T. 040-428 131 527; Literarischer Spaziergang über den Ohlsdorfer Friedhof 17.6., 10.00, Kosten zu 5,-, erm. 3,- Euro; weitere Termine im Internet unter www.kz-gedenkstaette-neuengamme.de