“Ichundichundich. Picasso im Fotoporträt“ hinterfragt Mechanismen der Inszenierung

Genie und exzentrische Künstlerfigur. Pablo Picasso (1881-1973) hat nicht nur die Malerei revolutioniert, seine Person und sein Leben wurden selbst zum Gegenstand des Schöpferischen. Die größten Könner hinter der Kamera rissen sich darum, den spanischen Macho mit dem monolithartigen Schädel und den als "glühende Kohlen" betitelten stechenden Augen abzulichten.

Die Schau "Ichundichundich. Picasso im Fotoporträt" versammelt 250 Aufnahmen von 34 Fotografinnen und Fotografen. Der Titel ist einem Gedicht entlehnt, das die Kunstkennerin und -sammlerin Gertrude Stein über ihren Freund Pablo Picasso verfasste.

Der Besucher sieht das Jahrhundertgenie immer wieder im Atelier bei der Arbeit, als Witzbold und Verkleidungskünstler, der sich wahlweise eine Stiermaske vor das Gesicht hielt, sich Indianerschmuck von Gary Cooper lieh, der sich als Popeye oder fast unkenntlich als Clown inszenierte. Schnappschüsse am Strand zeigen den Familienvater, andere, etwa von Julia Pirotte, den nachdenklichen Vordenker beim Weltkongress der Intellektuellen in Breslau, Polen 1948, spätere Arbeiten der 1960er-Jahre den alternden Picasso in seinem Wohnsitz Südfrankreich. Hinter jeder von ihnen steht ein Ringen zwischen Fotograf und Objekt darüber, wer hier wen in Szene setzte.

Doch ist Picassos Hunger nach dem Visuellen und seine Liebe zur Fotografie nicht nur reine Außenschau, sondern schafft ihm auch die Möglichkeit der Innensicht, des Blicks auf die eigene Person. Das Erinnerungsmedium Fotografie war dem Künstler zum Zwecke des Selbststudiums stets näher als der Blick in den Spiegel. Die Schau mit klassischen Porträt-Arbeiten von Richard Avedon, Henri Cartier-Bresson, Herbert List, Künstlerfreunden wie Man Ray, Jean Cocteau oder Brassaï, Magnum-Fotograf Robert Capa, Flaneur Robert Doisenau, und Gesellschaftsfotograf Edward Quinn vollzieht nicht chronologisch sein Leben nach, sie richtet den Scheinwerfer vor allem auf die Künstler hinter der Kamera.

In den frühen Pariser Jahren ist Picasso als Teil der Boheme zu sehen. 1916 lichtete Jean Cocteau ihn zusammen mit Amedeo Modigliani und André Salmon beim Café La Rotonde ab. Der Hamburger Herbert List porträtiert den mit Berufsverbot belegten Picasso "mit Tête de mort" und wucherndem Haar 1944 aus Protest gegen die Kriegshandlungen. Später kreierten große Magazine um sein turbulentes Privatleben einen Personenkult.

Irving Penns Darstellung von 1957, die den Maler mit Hut und bis auf die Augen fast verdecktem Gesicht zeigt, gilt heute selbst als Ikone. Die Schau hinterfragt auch die Differenz zwischen dem weiblichen und dem männlichen Blick. Lee Miller etwa begleitete Picasso vom Sommer 1937 an über 36 Jahre. Seine langjährige Muse Dora Maar zerkratzte 1935/36 das Negativ einer Aufnahme und malte dem Dargestellten in finsterem Schwarz eine Art Heiligenschein. Ohne Frage, ein Mann mit vielen Gesichtern.

"Ichundichundich. Picasso im Fotoporträt" 13.7. bis 21.10., Museum für Kunst und Gewerbe, Steintorplatz, Di-So 11.00-18.00, Do 11.00-21.00