Ein Gespräch mit Prof. Hermann Parzinger, Stiftung Preußischer Kulturbesitz

Seit 2008 ist Hermann Parzinger Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Der Prähistoriker, der 2003 bis 2008 Präsident des Deutschen Archäologischen Instituts war, führte zahlreiche spektakuläre Ausgrabungen durch. 2008 zeigte das Museum für Kunst und Gewerbe seine Ausstellung über die Skythen. Wir fragten ihn:

Abendblatt:

Sie stehen an der Spitze eines großen Verbundes von Kultureinrichtungen. Worin bestehen die Vorteile eines solchen Zusammenschlusses?

Prof. Hermann Parzinger:

Zur Stiftung Preußischer Kulturbesitz gehören 16 Museen, die Staatsbibliothek, das Geheime Staatsarchiv, das Ibero-Amerikanische Institut und das Staatliche Institut für Musikforschung. Ein großer Verbund unterschiedlicher Kultureinrichtungen bietet den Vorteil, bestimmte Ressourcen gemeinsam zu nutzen. Außerdem werden in den einzelnen Einrichtungen immer mehr digitale Inhalte erzeugt, die in einem Portal zu Wissen und Kultur zusammengefügt und erfahrbar werden. Diese Kooperationen bilden einen entscheidenden Mehrwert.

Wie viel Eigenständigkeit bleibt den einzelnen Häusern?

Parzinger:

Die fünf großen Einrichtungen sind autonom und haben ihren eigenen Haushaltsplan. Das gilt nicht für die einzelnen Museen, die in einer Einrichtung, den Staatlichen Museen zu Berlin, zusammengefasst sind. Hier entscheidet eine Direktions-konferenz unter Leitung des Generaldirektors über die Verteilung der Finanzen.

Die Berliner und die Hamburger Situation sind schon aufgrund ihrer Größe kaum vergleichbar. Aber mit der 2008 gegründeten Stiftung Historische Museen aus Hamburgmuseum, Altonaer Museum, Helms-Museum und Museum der Arbeit gibt es auch hier einen Verbund von vier recht unterschiedlichen Häusern, die noch immer Mühe haben, zu einer Gemeinsamkeit zu finden.

Parzinger:

Die vier Häuser haben eine unterschiedliche Geschichte, aber gemeinsam können sie die Geschichte Hamburgs von der Vorgeschichte bis in die Gegenwart erzählen. Jetzt kommt es darauf an, eine verbindende Idee zu finden. Es sollte diesen vier Museen doch gelingen, Gemeinsamkeiten zu entwickeln und die eigenen Profile in eine tragfähige Gesamtvision einfließen zu lassen. Ohne die Situation im Einzelnen genau zu kennen, glaube ich, dass die Häuser sonst auch kaum in der Lage wären, ein professionelles Marketing oder eine effektive Öffentlichkeitsarbeit aufzubauen. So etwas geht gemeinsam besser.

Was verbinden Sie persönlich mit Hamburg als Museumsstadt?

Parzinger:

Die intensivste Verbindung habe ich dank meiner Skythen-Ausstellung mit dem Museum für Kunst und Gewerbe, das eine großartige Sammlung besitzt. Als Prähistoriker war mir das Helms-Museum schon immer ein Begriff. Das Völkerkundemuseum ist sicher eines der bedeutendsten seiner Art in Deutschland, und was die Kunstmuseen betrifft, freue ich mich, dass ich dem Kuratorium des Bucerius Kunst Forums angehöre.

Um positiv wahrgenommen zu werden, müssen Museen spektakuläre Sonderausstellungen anbieten. Besteht die Gefahr, dass sie sich immer mehr als reine Ausstellungshäuser verstehen?

Parzinger:

Die Gefahr besteht vielleicht. Trotzdem halte ich große und erfolgreiche Ausstellungen für wichtig, denn sie werben für die Museen einer Stadt. Die Arbeit eines Museums ist darauf aber keineswegs beschränkt. Nicht nur in Museen, die über eigene Sammlungen verfügen, die sie erhalten, erforschen und vermitteln, sondern auch in reinen Ausstellungshäusern braucht es eine gute Mischung. Und zwar zwischen Ausstellungen, von denen man von vornherein weiß, dass sie ein breites Publikum ansprechen, und solchen, die ein bisschen spezifischer und risikofreudiger sind. Einerseits darf man sein Haus nicht nur auf große Besucherzahlen ausrichten, andererseits muss man von Zeit zu Zeit große Ausstellungen anbieten, wie bei uns etwa die "Gesichter der Renaissance". Denn diese motivieren auch Menschen zu einem Museumsbesuch, die in den vergangenen Jahren gar nicht gekommen sind.

Wie hat sich die gesellschaftliche Bedeutung der Museen in den letzten fünf bis zehn Jahren verändert?

Parzinger:

Natürlich gibt es Unterschiede. Grundsätzlich kann man sagen, dass die Museen mitten in der Gesellschaft angekommen sind. Sie sollten aber noch stärker als Bindemittel der Gesellschaft agieren. Und dabei geht es nicht nur um Blockbuster-Ausstellungen, sondern auch um den Bereich der kulturellen- und interkulturellen Bildung.

Wir haben zum Beispiel ein Projekt des Museums für Islamische Kunst, bei dem wir Kontakte zu Berlinern mit türkisch-arabischem Hintergrund suchen. Ein Kollege erzählte mir, dass er Schulklassen aus Neukölln mit vielen Kindern aus islamisch geprägten Familien in die Skulpturensammlung mit christlicher Kunst geführt hat, die so begeistert waren, dass sie am Wochenende mit ihren Eltern wiederkommen wollten. So funktioniert interkulturelle Bildung.