Das Lebenswerk des Fotografen Bernt Federau im Völkerkundemuseum

Der Zweite Weltkrieg lag erst wenige Jahre zurück, in Hamburg ragten viele Ruinen in den Himmel, es herrschte Armut und trotz des beginnenden Wirtschaftswunders gehörten Reisen in ferne Weltgegenden für die allermeisten Deutschen damals ins Reich der Träume. In dieser Zeit erhielt Bernt Federau die Chance zu einem Aufenthalt im südwestlichen Afrika. Mitte 20 war der Fotograf, als er die ehemalige deutsche Kolonie betrat, die nun unter der Verwaltung von Südafrika stand und erst 1990 als Namibia unabhängig wurde.

Ungemein fremd und exotisch kam ihm dieses Land vor, mit seiner Weite, den großartigen Landschaften und den Menschen, denen er hier begegnete. Für den Fotografen war das eine enorme Chance und eine Herausforderung, die er begeistert annahm. Zurück in Hamburg, sichtete er sein Material und bot es dem Museum für Völkerkunde an, das 1958 eine Ausstellung mit seinen Afrika-Bildern zeigte. Für das damalige Publikum waren das Bilder einer faszinierenden wie unerreichbaren Welt.

Mehr als ein halbes Jahrhundert danach schließt sich der Kreis, denn jetzt zeigt das Völkerkundemuseum erneut eine Ausstellung mit Werken von Bernt Federau. Manche davon waren schon 1958 zu sehen, doch diesmal sind es nicht nur Motive aus Afrika, sondern Bilder, die das gesamte Lebenswerk des 1930 in Danzig geborenen Fotografen dokumentieren. "Bernt Federau: Schwarz bis Weiß.

Photografische Reisen", heißt die Schau, die eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Themen dadurch auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen versucht, dass sie Federaus Schaffen weitgehend chronologisch nachzeichnet. Einen großen Teil seines mehr als sechs Jahrzehnte umspannenden Lebenswerks hat der in Hamburg lebende Fotograf dem Museum bereits zu Lebzeiten überlassen.

"Er selbst versteht sich nicht als Künstler, sondern vielmehr als solider Handwerker", sagt Museumsmitarbeiterin Brigitte Saal, die selbst professionelle Fotografin ist und zum dreiköpfigen Kuratorenteam gehört. Tatsächlich zeugen die Schwarz-Weiß-Arbeiten, die größtenteils als Vintage Prints, also als vom Fotografen selbst in der Entstehungszeit gefertigte Originalabzüge, gezeigt werden können, von großer handwerklicher Meisterschaft. Es lohnt sich, nah an die Bilder heranzutreten, um die Nuancen, die vielfältigen Tonabstufungen der hochwertigen Barytzabzüge zu erkennen. "Auch wenn er es selbst anders sieht, ist Federau mehr als nur ein guter Handwerker, seine Bildkompositionen weisen eine hohe künstlerische Qualität auf", sagt Brigitte Saal.

Tatsächlich weisen die Fotografien aus insgesamt sechs Jahrzehnten trotz aller Unterschiedlichkeit ihrer Motive eine Gemeinsamkeit auf: Sie sind sorgfältig ausgearbeitet. Vor allem besaß Federau ein Gespür für den intensiven Augenblick, für den Moment, in dem die Dinge Bedeutung erlangen, sich zu einer Aussage, zu einem gültigen Bild verdichten.

Bernt Federau hat nach dem Krieg zunächst in Lübeck zu fotografieren begonnen. Dass er Schwarz-Weiß-Aufnahmen bevorzugte, hatte nichts mit den technischen Beschränkungen jener Zeit zu tun, sondern vielmehr mit den besonderen Möglichkeiten, mit Lichtwerten und deren Wechsel zu spielen. So vermochte er, scheinbar banalen Motiven einen enormen Ausdruck zu verleihen. Die Ausstellung beginnt mit frühen Motiven aus Lübeck, zeigt dann aber auch Bilder, die in den 1950er-Jahren in Hamburg entstanden sind, zum Beispiel vom Hauptbahnhof. Einen eigenen Komplex bildet die Motivgruppe "Bücher und Menschen", die Federau für ein Buchprojekt fotografierte, das dann aus Kostengründen nicht realisiert werden konnte.

Großen Raum nehmen Fotografien von Reisen ein, zum Beispiel in mehrere europäische Länder, aber auch von New Yorker Aufenthalten in den 1970er-Jahren. Zu sehen sind Straßenszenen, beeindruckende Porträts und Architekturaufnahmen, die oft erkennen lassen, dass sich der Fotograf um Formen und Strukturen, die grafisch erscheinen und den Kompositionen eine eigene künstlerische Qualität verleihen, bemüht.

In den 1970er-Jahren ist Bernt Federau noch einmal für längere Zeit nach Südwest-Afrika zurückgekehrt. Für die Besucher der Ausstellung ist es interessant zu vergleichen, wie der Fotograf die Themen seines ersten Afrika-Aufenthalts wieder aufgenommen hat. Federaus Bilder entziehen sich dem flüchtigen Blick, Bedeutung gewinnen sie jedoch, wenn man sich auf sie einlässt, sie in Ruhe betrachtet und dabei jene Intensität spürt, die uns nacherleben lässt, wie es dem Fotografen gelungen ist, einen besonderen Moment zu einem gültigen Bild zu verdichten. Und das ist nicht Handwerk, sondern Kunst.

Bernt Federau: Schwarz bis Weiß. Fotografische Reisen 3.6.2012-8.1.2013, Museum für Völkerkunde, Rothenbaumchaussee 64, Di-So 10.00-18.00, Do bis 21.00