Am HCAT, dem neuen Labor für Kabinensysteme, lernen angehende Luftfahrt-Ingenieure die Tücken ihres Berufs kennen - und lösen die Probleme

Effizienter entwickeln, grüner fliegen - die Luftfahrtbranche bietet angehenden Ingenieuren wie Wissenschaftlern immer wieder neue Herausforderungen. Mit dem Labor für Kabinen und Kabinensysteme (KKS) im Hamburg Centre of Aviation Training HCAT, das vor einem Jahr eröffnet wurde, stellt die Hochschule für angewandte Wissenschaften HAW dem akademischen Luftfahrt-Nachwuchs nun ein optimales Umfeld für anwendungsorientierte Lehre und Forschung zur Verfügung.

Bereits seit 2005 gibt es neben dem klassischen Luftfahrtingenieur der Fachrichtung Flugzeugentwurf und Leichtbau an der HAW den Studienschwerpunkt Kabine und Kabinensysteme. "Das ergab sich aus der Entscheidung von Airbus, auch die Kabinenentwicklung des A380 nach Hamburg zu legen", erklärt Gordon Konieczny, Airbus Stiftungsprofessor für Kabinenarchitektur und Human Factors. Es würden zunehmend speziell ausgebildete Ingenieure gesucht, da die Komplexität der Kabinensysteme in den letzten zehn Jahren enorm gestiegen sei. Als der Schwerpunkt neu angeboten wurde, gab es zunächst keine Labore und damit keine Laborversuche - eigentlich ein Kernpunkt der Ausbildung an der HAW.

In dem neuen Komplex werden nun alle Elemente und Systeme einer vollständigen Flugzeugkabine in verschiedenen Laborbereichen aufgebaut. Neben den Praktika im Rahmen der Lehre werden Bachelor- und Masterarbeiten sowie Forschungsprojekte durchgeführt, häufig auch im Zusammenspiel mit der Industrie. "Wir behalten damit Lehre, Forschung und Anwendung immer gemeinsam im Blick", sagt Konieczny.

Das zeigen auch die laufenden Aktivitäten. Nils Ischdonat etwa promoviert derzeit im Rahmen eines Forschungsprojektes der EADS, Europas größtem Luft- und Raumfahrtkonzern, mit dem Titel 'Greenliner'. Auf dem Weg zum Ökoflieger sind noch viele offene Fragen zu klären. Der 26-Jährige widmet sich dem Kabineninterieur und sucht nach ökologischeren Alternativen. "Es geht darum, das Gewicht in der Kabine zu reduzieren, weil das die CO2-Emissionen senken würde. Zudem sollen neue Materialien eingeführt werden, die leichter recycelbar sind", erklärt Ischdonat. Derzeit führt der Nachwuchswissenschaftler Experimente zur Alterung von Materialien durch, um sie mit neuen Materialien vergleichen zu können. Das HCAT bietet dafür mit seiner Klimakammer optimale Voraussetzungen. Die Promotion ist für Nils Ischdonat ein Anschlussprojekt an seine Masterarbeit, die er ebenfalls in Kooperation mit EADS durchgeführt hat.

Das Thema von Nils Fischer ist zwar auf den ersten Blick weniger griffig, dafür extrem interessant für die Unternehmen am Hamburger Luftfahrtstandort. Besonders in der Kabinenentwicklung müssen vielfältigste Anforderungen an Sicherheit, Datenübertragung und Elektronik, aber auch an Benutzbarkeit, Kosten und Gewicht erfüllt werden. Tausende von Parametern sind zu berücksichtigen. Informatiker Fischer arbeitet daran, die Komplexität dieser Aufgabe IT-gestützt zu verringern und Unsicherheiten im Entwurf zu reduzieren. "Wir möchten erreichen, dass man schon vor der technischen Umsetzung testen kann, ob das System alles tut, was es soll", sagt der Doktorand. Neben der Anwendung in der Industrie ist Fischer auch der Rückfluss in die Lehre wichtig: "Wenn wir unsere Ergebnisse ins Studium integrieren könnten, würden die Studenten gut auf diese Art von Aufgaben vorbereitet, die zukünftig auf sie warten."

Der Schwerpunkt des Labors für Kabinen und Kabinensysteme im HCAT liegt in der Lehre. "Das ist unsere Hauptaufgabe", sagt Mark Wiegmann, Professor für elektrische Kabinensysteme. "Jeder Kollege hat seine Lehrinhalte und möchte auch seine Laboranteile hier mit abgebildet haben." Die Studierenden durchliefen verschiedene Stationen, um zu ihrer theoretischen Ausbildung auch die praktische Komponente zu bekommen. Dieser regelmäßige Laborbetrieb müsse zunächst aufgebaut werden, dann kämen die Forschungsprojekte. Darüber könne sich die Einrichtung aber sehr gut weiterentwickeln.

Wiegmann sieht zudem vielfältige Möglichkeiten der Kooperation: "Bei der Labornutzung möchten wir später auch unsere Partner aus der Wirtschaft stärker berücksichtigen und einbinden. Außerdem sollen hier die Schüler der Gewerbeschule G15, die sich ebenfalls unter dem Dach des HCAT befindet, in den höheren Lehrjahren und in der Technikerausbildung ihre Laborversuche machen können." Ferner seien Weiterbildungen für Ingenieure zu Themen rund um die Kabinensysteme geplant.

Dafür, dass das möglich wird, sorgt die gute Vernetzung mit der Hamburger Luftfahrtbranche. Im Beirat des HCAT finden sich neben den Hochschulen, der Wirtschaftsbehörde, der Arbeitsagentur und Arbeitgeberverbänden auch alle relevanten Luftfahrtunternehmen der Hansestadt. Seit geraumer Zeit fördern zudem die Lufthansa Technik und Airbus Studierende der HAW im Rahmen dualer Flugzeugbau-Studiengänge. Der Mix aus Theoriephasen an der Hochschule und Praxiseinsätzen gilt in Unternehmen als besonders Erfolg versprechender Ansatz.

Schon heute prägen Attrappen in Originalgröße, sogenannte Mock-ups, die Laborhalle. Dazu gehört auch ein Rumpfsegment des A350 mit Crew Rest Compartment, einem neuartigen Ruheraum für die Besatzung bei Langstreckenflügen. Das Mock-up ist ein Geschenk des Flugzeugbauers Airbus. "Daran wurden die realen Strömungsverhältnisse im Innenraum getestet", erklärt Wolfgang Gleine, Professor für mechanische Kabinensysteme. "Auch die Themen Lärm, Befeuchtung, Klimatisierung und Beleuchtung lassen sich an dem Mock-up über Versuche praktisch vertiefen", sagt Gleine. Man sehe häufig, dass Studierende, die meinen, sie hätten die Systeme begriffen, erst an diesen Versuchen die Problematiken erkennen. Es gebe oftmals eine Diskrepanz zwischen Wissen und Können. Diese Schere könne man jetzt schließen. "Mit den besten Studenten wollen wir dann auch forschen", sagt der Professor. "Wir glauben, dass eine hochwertige Ausbildung eine wichtige Grundlage für gute Forschungsergebnisse darstellt. Der Mensch denkt mit dem, was er weiß."