Das Obdachlosen-Projekt für Frauen ist Teil der Ausbildung für Studenten am Fachbereich Soziale Arbeit

Rund 25 Prozent der Obdachlosen in Hamburg sind Frauen. Insgesamt zehn obdachlosen Frauen bietet die Ambulante Hilfe Hamburg in Kooperation mit der HAW in einem Containerdorf auf dem Campus am Berliner Tor ein Dach über dem Kopf.

"Die Frauen, die das kostenlose Angebot nutzen, schätzen die unbürokratische Hilfe. Für sie ist es wichtig, einen Ort zu haben, an dem sie einfach nur sein können und an dem sie keinen großen Anforderungen ausgesetzt sind. Denn bereits die Einhaltung einer Hausordnung und die sozialen Kontakte stellen für viele der Frauen eine enorme Herausforderung dar", sagt Andrea Hniopek, Lehrbeauftragte im Department Soziale Arbeit an der HAW Hamburg. Sie hat das Containerdorf 1994 - damals war sie selbst Studentin an der HAW - mitgegründet und ist seit 2004 an der HAW für das Projekt tätig.

In dem Containerdorf, in dem das gegenseitige Duzen für alle selbstverständlich ist, erhält jede der Frauen einen eigenen kleinen Raum. Dieser ist mit einem Bett, einem Schrank, einem Tisch und ein oder zwei Stühlen ausgestattet. Zur gemeinschaftlichen Nutzung gibt es neben einem Sanitärcontainer auch einen Bürocontainer, in dem fast immer heißer Kaffee, Getränke, Kekse und andere Snacks bereit stehen. Warme Kleidung, dicke Bettdecken, Handtücher, Bettwäsche und viele andere nützliche Dinge, die das Leben im Container möglichst erträglich machen sollen, sind ebenfalls dort erhältlich.

Die Betreuung und Unterstützung der Frauen übernehmen Studierende des Departments Soziale Arbeit im Rahmen eines Fachprojekts, das Teil der Ausbildung ist. "Das Fachprojekt im zweiten Semester bietet uns Studierenden die Möglichkeit, schon frühzeitig erste praktische Erfahrungen zu sammeln. Das ist extrem motivierend, zumal unser Einsatz auch fachlich intensiv begleitet wird", sagt Teresa Jakobs. Zusammen mit Jennifer Koch gehört die 21-Jährige zu den Studierenden, welche die Frauen im Containerdorf zwei- bis dreimal pro Woche stundenweise betreuen.

Regelmäßig wird gemeinsam gekocht, Frühstück oder Abendbrot miteinander gegessen. Zudem finden sonntags manchmal gemeinsame Ausflüge statt. "In erster Linie geht es bei unserer Arbeit jedoch darum, den Frauen Aufmerksamkeit zu schenken und ein offenes Ohr für alle ihre Belange zu haben. Falls die Frauen das wünschen, kümmern wir uns natürlich auch um persönliche Probleme und unterstützen zum Beispiel beim Gang zu Behörden oder Beratungsstellen", sagt Jennifer Koch. Wie sie weiter berichtet, bräuchten viele Frauen, die direkt vom rauen Alltag der Straße in das Containerdorf kommen, erst einmal viel Ruhe, um sich von den Strapazen der Obdachlosigkeit zu erholen. Mit ihrem Engagement will die 23-Jährige vor allem dazu beitragen, dass obdachlose Menschen nicht länger diskriminiert oder sogar schikaniert werden. Wie ihre Kommilitonin kann Jennifer Koch sich gut vorstellen, nach dem Studium ebenfalls mit Obdachlosen zu arbeiten. Doch zunächst müssen die beiden angehenden Sozialarbeiterinnen ihren Bachelor und anschließend vielleicht sogar den Master machen.

Der Bachelor-Studiengang Soziale Arbeit vermittelt einen berufsqualifizierenden Abschluss als Sozialarbeiter und Sozialpädagoge. Die berufliche Orientierung erfolgt in verschiedenen Arbeitsfeldern. Dazu gehören die Arbeit mit Kindern, Jugendlichen, Familien, älteren, behinderten oder psychisch kranken Menschen. Inhaber eines Master-Abschlusses übernehmen häufig Referentenstellen und Leitungsfunktionen, zum Beispiel in Kultur- und Stadtteilzentren, oder sie widmen sich der Forschung und Lehre.

"Das Studium deckt sehr viele Fachrichtungen ab, das gefällt mir persönlich sehr gut", sagt Teresa Jakobs. Jennifer Koch schätzt insbesondere die angenehme Stimmung an der Hochschule: "Wir sind eine sehr soziale, bunt gemischte Truppe. Da macht das Lernen, das zeitweise sehr aufwendig ist, viel mehr Spaß."

Andrea Hniopek berichtet, dass die Lebenslage obdachloser Menschen meistens durch Armut, psychische Belastung und langjährige Ausgrenzung aus der gesellschaftlichen Gemeinschaft gekennzeichnet sei. Die Befriedigung der alltäglichen Bedürfnisse nach Nahrung, Hygiene, Bekleidung und Ruhe müsste mühevoll bewältigt werden. Hinzu kommt, dass Transferleistungen häufig nicht in Anspruch genommen werden, daher sind die betroffenen Frauen oftmals nicht krankenversichert. "Im Gegensatz zu obdachlosen Männern nutzen Frauen vergleichsweise selten die Angebote der öffentlichen Unterbringung. Viele von ihnen machen lieber Platte, leben also auf der Straße. Oder sie finden für einzelne Nächte Zuflucht bei Bekannten", so die Erfahrung der erfahrenen Sozialarbeiterin. Wichtig ist ihr und ihren Mitarbeiterinnen, die Frauen, die zu ihnen kommen, so zu respektieren, wie sie sind, und vor allem die unterschiedlichen Lebensentwürfe zu akzeptieren. Hauptgründe für Obdachlosigkeit seien in erster Linie von Gewalt geprägte Lebensumstände, Trennung und Scheidung in Verbindung mit Arbeitslosigkeit, Schulden und Ortswechsel.

Die Durchführung des Winternotprogramms an der HAW, das jedes Jahr Anfang November beginnt und Mitte April zu Ende geht, ist nur möglich, weil sich viele Menschen an der HAW dafür einsetzen und stark machen. Die Finanzierung erfolgt über die Behörde für Soziales, Familie, Gesundheit und Verbraucherschutz. Die Finanzierung der Kosten, die in den restlichen Monaten des Jahres anfallen, erfolgt über Spenden, die der Verein Ambulante Hilfe Hamburg als Träger des Projekts sammelt.

"Unsere Angebote, die auch den Vereinsamungstendenzen der Frauen entgegenwirken, werden gut angenommen", sagt Andrea Hniopek. Die Vermittlung der Frauen in feste Unterkünfte oder Wohnungen hingegen würde sich schwierig gestalten, weil die vorhandenen Angebote ungeeignet seien. Ein Trost: Zum Ende des letzten Winternotprogramms konnten alle Frauen in das Sommerprojekt übernommen werden. Das bedeutet: Keine der obdachlosen Frauen ist bislang auf die Straße zurückgekehrt.