mit Johann Hinrich Claussen darüber wie man Fußball und Kirche verbinden kann

Ordentliche Prediger haben zu allem etwas zu sagen. Und wenn eine Fußball-Europameisterschaft ansteht, lässt es sich gar nicht vermeiden, dass sie auf die Parallelen zwischen Sport und Glaube hinweisen. Verblichene "Fußballgötter" werden in Erinnerung gerufen oder demonstrativ fromme Profi-Kicker aufgezählt. Vor wenigen Wochen konnte ich den Praxistest machen. Das Schicksal hatte mich in die Arena eines stadtbekannten Abstiegskandidaten geführt. Da durfte ich das Mitleiden üben, was einem Protestanten ja immer gut gefällt. Auch meine prophetischen Kräfte konnte ich unter Beweis stellen: Da ich voraussah, dass hier nichts mehr zu holen sein würde, konnte ich schon nach der Halbzeitpause gehen. Immerhin stellte ich fest: Auch im Stadion gibt es Rituale, doch anders als in der Kirche dienen sie bloß der Selbstbeweihräucherung. Nichts gegen Mitarbeitermotivation und Volksbelustigung, aber das Schöne an Ritualen ist doch eigentlich, dass sie den Menschen zur Besinnung kommen lassen, indem sie ihm eine Grenze setzen und ihn etwas ahnen lassen, was unendlich größer ist als er selbst.

Aber einmal habe ich doch selbst erlebt, dass Fußball und Kirche etwas verbinden kann. Es ist schon einige Jahre her, da habe ich als Vikar in einer Grundschule Religionsunterricht geben, zugegeben mit mäßigem Erfolg. Wirkungsvoller war, dass ich in den großen Pausen mit den Jungs auf dem Schulhof Fußball gespielt habe. Das hat auch mir mehr Spaß gemacht, als im Lehrerzimmer zu sitzen. Einmal geschah dies: Ich bekam den Ball, lief die rechte Außenlinie entlang und flankte halbhoch vor das Tor. Dort stand ein Junge aus meiner vierten Klasse. Er war nicht sehr schlank, trug zudem eine dicke Brille und wurde meist als letzter gewählt. Doch diesmal geschah etwas Unglaubliches. Er sprang hoch, lag einen Moment waagerecht in der Luft, nahm den Ball Vollspann und schoss ihn Volley in den rechten oberen Winkel - ein Traumtor. Am nächsten Tag stürmte er auf mich zu. Er wisse jetzt, was meine Berufsbezeichnung bedeute: "Pastor - das kommt von Pass und Tor." Und dann rannte er über den Hof und rief immer wieder: "Pass - Tor, Pastor, Pass -Tor!"