Der pfingstliche Geist gibt unterdrückten Christen Mut, für ihren Glauben zu kämpfen

Pfingsten ist ein sperriges Fest. Weihnachten und Ostern haben - auch um den Preis, inhaltlich undeutlich zu werden - ihre gesellschaftliche Vereinnahmung erlebt. Nur Pfingsten sperrt sich, bleibt das unberechenbare und schwer zu vereinnahmende Fest. Ja, es ist und bleibt gar ein gefährliches Fest. Es ist nicht so anrührend wie Weihnachten, es lebt nicht - wie Karfreitag und Ostern - von dem Kontrast zwischen Tod und Leben. Es ist ein Fest gegen alle Erwartungen. Es ist das Fest, das aus einer geschichtlichen Fußnote eine Weltbewegung machte.

Für die Mächtigen - egal ob Römer oder jüdische Tempelaristokratie - war die Sache klar: Mit der Kreuzigung Jesu war auch "der Fall" des Nazareners erledigt. Der Aufruhr gerade noch rechtzeitig im Keim erstickt. Als einige der Anhänger Jesu erzählten, Jesus sei von Toten auferstanden, konnte das mit ein bisschen Geld erledigt werden. Die Grabwachen beschworen fortan, dass sein Leib gestohlen worden sei.

Die "Jesus-Bewegung" schien eine geschichtliche Episode zu bleiben. Die Jünger hatten sich zurückgezogen. Ihre Gedanken kreisten um das, was sie gerade erlebt hatten - den triumphalen Einzug in Jerusalem und später die Kreuzigung. Auch die nachösterlichen Begegnungen mit dem Auferstandenen waren noch nicht recht verdaut und sein endgültiger Abschied schmerzte heftig. Nicht Aufbruch, sondern die Suche nach Normalität in innerem und äußerem Chaos schien angesagt.

Was nun geschah, kann getrost als nicht vorhersehbar verbucht werden. Der Vergleich mit einem Unwetter muss herhalten. Ein starker Wind wirbelt alles durcheinander, feurige Zungen setzen sich auf die Jüngerinnen und Jünger Jesu und fortan ist nichts mehr so wie vorher. Sie beginnen zu predigen von den großen Taten Gottes, und die Menschen, woher sie auch kommen, können sie verstehen. Aus ängstlichen Menschen werden mutige, aus schweigsamen werden beredte. Damit hatte keiner gerechnet - weder jene, die Jesus nachfolgten, selbst noch die Mächtigen.

Natürlich gab es sofort Versuche durch die Machthaber, diese Menschen in ihrem Reden mundtot zu machen, sie einzusperren. Ohne Erfolg. Aus dem, was geschichtlich betrachtet bisher eine Fußnote gewesen war, entstand eine Bewegung, die heute über zwei Milliarden Menschen umfasst. Die weltweite Gemeinde der Christen.

Sicherlich, eine Gemeinde, die unvollkommen ist, mit menschlichen Schwächen behaftet, die zersplittert und oft auch zerstritten ist. Aber auch eine Gemeinschaft, die sich auf dieses eine pfingstliche Ereignis bezieht. Eine Gemeinschaft, die sich auf jenen Tag gründet, an dem Männern und Frauen in der Nachfolge Jesu der Mut geschenkt wurde, Jesu Verkündigung in die Welt zu tragen.

Dieser Mut kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Oft musste er verteidigt werden - nicht nur gegenüber jenen Mächtigen, die das offene Wort fürchten, sondern auch (viel zu häufig!) in der Kirche selbst. Auch da galt das freie Wort, das die Botschaft Jesu transportieren sollte, als gefährlich. Mancher Glaubenszeuge war eben nicht nur ein Opfer der mächtigen Politik, sondern ein Opfer der Kirche.

Der pfingstliche Geist ist und bleibt gefährlich. Für die Kirche, weil dieser Geist immer wieder daran erinnert, eigenes Reden und Handeln als Kirche an Jesu Verkündigung zu messen. Und für die Despoten der Welt, weil dieser Geist auch andere Menschen infizieren kann - weit über die Grenzen des Christentums hinaus. Bisher ängstliche Menschen beginnen plötzlich von einer anderen Welt zu reden, formulieren offen ihre Anliegen, wollen über ihr Leben selbst bestimmen und hören nicht mehr auf, Ungerechtigkeit auch als solche zu benennen. Und die Reaktion? Genau wie damals, vor 2000 Jahren: Unruhestifter gehören weggesperrt! Und wenn das nichts hilft, dann müssen sie halt beseitigt werden. Das Schema ist immer das gleiche, über Jahrtausende. China sperrt seine Kritiker weg, nordafrikanische und arabische Tyrannen lassen auf Demonstranten schießen und Libyens Diktator führt einen Krieg gegen das eigene Volk. Doch sicher ist, dass dieser Geist sich nicht "beseitigen" lässt. Er lebt, er macht lebendig und frei; in der Kirche, aber auch darüber hinaus. Ein Geist, der gefährlich ist - für diejenigen, die das freie Wort fürchten. Es ist das Fest eines Geistes, der Hoffnung schenkt. Deshalb ist Pfingsten nicht nur ein gefährliches, sondern zuerst ein fröhliches Fest: Frohe Pfingsten!