Glaube, Werte, Rituale - acht Fragen und Antworten zu kirchlichen Kindertagesstätten

Nach den Sommerferien beginnt für viele Kinder ein neuer Lebensabschnitt - der Start im Kindergarten. Für die Kleinen ist es das erste Loslösen aus dem Elternhaus. Mütter und Väter machen sich meist viele Gedanken, welche der über 1000 Hamburger Kitas die richtige für ihr Kind ist. Über das Besondere von kirchlichen Kindergärten berichten Martina Jürgs-Erler, Fachberaterin der Kindertagesstätten im evangelisch-lutherischen Kirchenkreis Hamburg-West/Südholstein, und Carsten Hencke, Leiter der Fachberatung im Caritasverband für Hamburg e. V.

1. Muss man in der Kirche sein, um einen Kita-Platz in Ihren Einrichtungen zu bekommen?

Carsten Hencke:

Nein. Wenn man sich die Zahlen anschaut, haben wir einen großen Anteil an Kindern, deren Eltern nicht Kirchenmitglieder sind. Das variiert je nach Einzugsgebiet. Eine absolute Zahl habe ich dazu nicht, aber ich würde tippen, dass sie insgesamt bei 30 bis 40 Prozent liegt.

Martina Jürgs-Erler:

Ein Viertel bis ein Drittel der Kinder haben keine Kirchenzugehörigkeit, wir haben auch etliche mit islamischem Glauben in den Kitas. Wir betrachten das als Bereicherung.

2. Ist die Kirchenzugehörigkeit zumindest ein Vorteil?

Jürgs-Erler:

Die Platzvergabe wird nicht danach entschieden, ob ein Kind christlich ist oder nicht. Die Eltern kommen zu uns mit dem Kita-Gutschein und sagen, wir würden unser Kind gern bei Ihnen anmelden, können Sie uns die Einrichtung zeigen.

Hencke:

Bei uns ist es genauso, wir lehnen nur ab, wenn es keinen Platz gibt.

3. Wann muss ich mein Kind bei Ihnen anmelden?

Hencke:

Es hängt vom Einzugsgebiet und dann auch davon ab, welchen Betreuungsumfang man braucht. Ein halbes Jahr ist das absolute Minimum, und dann muss man auch Glück haben. Eine Anmeldung anderthalb Jahre vorher ist sicher nicht verkehrt.

Jürgs-Erler:

Bei uns ist die Anmeldung ein Jahr vorher notwendig, weil man diese Zeit für die Planung der Belegung benötigt. Voranmeldungen werden immer aufgenommen. Es wird niemand abgewiesen.

4. Worin bestehen die Unterschiede zu nicht konfessionellen Kitas?

Hencke:

Die Mitarbeiter leben Glauben aktiv vor und die Kinder können den Glauben durch verschiedene religiöse Rituale erleben. Das zieht sich durch alle Bereiche.

Jürgs-Erler:

In unsere Einrichtungen kommen regelmäßig Pastoren oder sie treffen sich mit den Kita-Kindern in der Kirche und bereiten einen Gottesdienst vor, das ist von Kita zu Kita unterschiedlich. Wir haben auch religionspädagogische Fortbildungen für die Mitarbeiter, setzen in diesem Bereich Schwerpunkte. Statt nur über Umweltschutz sprechen wir zum Beispiel über die Bewahrung der Schöpfung. Es gibt Rituale wie beten, die eingebunden sind im Alltagsleben. Wir begehen die christlichen Feiertage. Wichtig ist, dass sich alle beteiligen können, aber keiner muss. Viele muslimische Eltern geben ihre Kinder bewusst in eine konfessionelle Kita, weil es ihnen wichtig ist, dass dort überhaupt von Gott gesprochen wird und die Kinder in einem religiös geprägten Umfeld betreut werden.

5. Welche Rolle spielt der Glaube im Kindergartenalltag?

Hencke:

Eine sehr grundlegende. Gemeinde und Einrichtung arbeiten eng zusammen .

Jürgs-Erler:

Für uns ist der Glaube auch sehr wichtig. Wir haben in den Kitas sogenannte kleine "heilige Plätze/Orte", wo wir zu einem christlichen Fest oder zu anderen Gegebenheiten, etwa, wenn ein Haustier stirbt, etwas platzieren, beispielsweise eine Kerze und ein Foto. Wir haben das gar nicht so genannt. Aber die Kinder haben gesagt, das ist ein "heiliger Ort".

6. Wie gehen Sie mit Kindern um, denen Beten und Kirche völlig fremd sind?

Jürgs-Erler:

Man stellt sich ja schon vorher im Gespräch mit den Eltern deutlich dar und sagt denen, wir sind eine konfessionelle Kita.

Hencke:

Es ist wichtig, das mit den Eltern vorher abzuklären. Für die meisten ist klar, in dieser Kita wird Glaube gelebt, bestimmte Werte sind uns wichtig. Die Eltern wissen, die Kinder werden nicht zu irgendetwas gezwungen. Ich glaube, dass für Kinder Spiritualität ein wichtiges Thema ist, auf das sie sehr offen zugehen. Die meisten Eltern wünschen sich das auch. Gerade bei den Feiertagen gestalten die Kinder aktiv mit.

7. Müssen die Mitarbeiter der Kirche angehören?

Hencke:

In der Regel ja.

Jürgs-Erler:

Ja, denn laut Kirchengesetz ist der Dienst in der Kirche durch den Auftrag bestimmt, das Evangelium in Wort und Tat zu bezeugen.

8. Wie hoch ist der Anteil männlicher Erzieher in Ihren Kitas?

Hencke:

Leider verschwindend gering. Aber der Anteil derer, die sich für den Job interessieren, wird größer.

Jürgs-Erler:

In Hamburg beträgt die Quote männlicher Erzieher etwa acht Prozent. Deswegen unterstützen wir das Projekt "Mehr Männer in Kitas". Der Paritätische koordiniert und entwickelt mit vielen anderen Institutionen für Hamburg Aktionen, um in den nächsten Jahren eine Quote von rund 20 Prozent erreichen zu können.

In Hamburg gibt es 140 evangelische Kitas (Stand Dez. 2010) mit 9478 Plätzen und 34 katholische Kitas, davon fünf reine Horte, mit 2600 bis 2700 Plätzen. Die Kitas finanzieren sich durch das Kita-Gutscheinsystem, für besondere Projekte gibt es von den kirchlichen Trägern Extra-Gelder. Kontakt: www.eva-kita.de ; www.katholische-kitas-hamburg.de