Ein Gespräch mit Christina Dean, die die Education-Programme der NDR-Klangkörper konzipiert und koordiniert

Der NDR bietet jungen Hörern ein umfangreiches Education-Programm. In der laufenden Spielzeit haben fast 19 000 Kinder und Jugendliche aus Hamburg und Umgebung die verschiedenen Klangkörper des NDR kennengelernt. Nächste Saison wird das Angebot aufgrund der großen Nachfrage noch einmal erweitert. Konzeption und Koordination der Nachwuchsarbeit liegen in den Händen von Christina Dean. Im Abendblatt-Gespräch verrät sie ihre Erfolgsrezepte und gibt einen Vorgeschmack auf die kommende Saison.

Hamburger Abendblatt:

Was ist das wichtigste Ziel des Education-Programms?

Christina Dean:

Uns geht es darum, die Faszination der Musik Menschen aller Altersgruppen zu vermitteln. Wir entwickeln Ideen, mit denen die Kinder den emotionalen Reichtum der Musik erspüren und später auch artikulieren können.

Die riesige Nachfrage zeigt, dass das offenbar sehr gut gelingt. Was ist Ihr Erfolgsrezept?

Dean:

Ich bin ständig im Kontakt mit Kindern und Jugendlichen, um ihre Interessen, ihre Denkweise, ihre Empfindungswelt ein wenig zu kennen. Und dann stelle ich - humorvolle! - Verknüpfungen zwischen der Welt der Kinder und der Musik her. Das schafft Nähe. Wir beginnen jede Veranstaltung auf überraschende Weise. Es hilft sehr, wenn das Publikum in den ersten drei Minuten mindestens einmal gelacht hat. Wichtig ist, dass das Programm vom ersten Moment an greift. Ausschlaggebend aber ist, dass alle Ideen jedes Mal wieder durch große Intensität, Spontaneität und Freude der Musiker mit Leben gefüllt werden - nicht zu vergessen deren hochprofessionelles Spiel!

Und wie entstehen die Programme?

Dean:

Wir entscheiden uns für eine Komposition, ein Boccherini-Streichquintett etwa, Dvoráks Dumky-Trio oder Musik für Blechbläserensemble von Anthony Holborne. Dann versuche ich, die Werke mit Kinderohren zu hören, und entwickele dann, wiederum aus der Musik heraus, einen Rahmen, ein Gerüst, an dem die Kinder sich festhalten können, und das zur Ästhetik oder Entstehungszeit der Komposition passt. Boccherinis Streichquintett haben wir in eine Gentleman-Gangster-Geschichte verpackt, zu Anthony Holbornes Musik erfinden wir als vermittelnde Figur einen Hofnarren.

Gibt es weitere Beispiele?

Dean:

Sich durch Musik fernsteuern lassen ist eine sehr beliebte Aktion. Ein musikalisches Motiv bedeutet "vor", ein zweites "rückwärts", ein drittes Motiv "drehen". Damit steuern wir die Kinder durch den Saal und lassen sie Dinge entdecken, etwa den Frosch oder einen Steg. Diese Melodien und Motive vergessen die Kinder nie wieder. Und nebenbei gibt's dann auch noch ein bisschen Instrumentenkunde. Großen Spaß macht auch unser Musiker-Memory. Die Kinder wandern durch die Musiker, tippen sie an und versuchen, zwei gleiche Motive zu finden. Das ist eine einfache, aber sehr effektive Hörübung.

Ihre Ideen verteilen Sie auf drei verschiedene Education-Reihen - welche sind das?

Dean:

Zum einen bieten wir Familienkonzerte an. Um aber eine größere Bandbreite an Kindern zu erreichen, laden wir Kindergärten und Schulklassen zu unseren altersspezifischen Mitmach-Musiken ein. So kommen Gruppen aus ganz unterschiedlichen Stadtteilen ins Rolf-Liebermann-Studio. Und als Drittes haben wir dann noch die Reihe "Konzert statt Schule" ...

... die in der nächsten Saison weiter ausgebaut wird.

Dean:

Genau. Wir erweitern unser Angebot auch inhaltlich. "das neue werk" ist etwa zum ersten Mal beteiligt - mit einem Programm des ensemble Intégrales zu John Cage, für Schüler ab der zehnten Klasse. Da dürfen sie mit Alltagsgegenständen arbeiten und all die piepsenden Geräte benutzen, die sie sonst ausmachen müssen - denn damit wird komponiert!

Die meisten Konzerte bestreiten die NDR-Klangkörper aber selbst.

Dean:

Richtig. Die NDR Bigband wird aus "Peter und der Wolf" eine jazzige Geschichte machen. Der NDR Chor tritt mit Zwillingsschwestern am Klavier auf. Das NDR Sinfonieorchester erzählt von der Freundschaft mit einem Schneemann. Um tanzende Schildkröten, einen Kuckuck im Zählwahn oder nachdenkliche Elefanten geht es in "Der Teddy und die Tiere", dargeboten von sechs Cellisten des NDR Sinfonieorchesters.

Außerdem ist die Reihe "Podium der Jungen" mit von der Partie.

Dean:

Die haben wir gleich zweimal im Programm. Für die jugendlichen Hörer ist es natürlich immer besonders spannend, wenn die Musiker fast im selben Alter sind wie sie selbst. Dadurch fällt es vielen leichter, Kontakt aufzunehmen und Fragen zu stellen.

Brauchen die Besucher von "Konzert statt Schule" irgendwelche Vorkenntnisse?

Dean:

Nein, wir erwarten nichts, außer dass sie mit Neugier kommen. Der Eintritt ist frei, damit es auch keine finanziellen Hemmschwellen gibt.