Betörende Stimmen, unsterbliche Themen: Weltstars zu Gast beim Festival

Von Orpheus wissen wir, was der Gesang so alles bewirken kann: Der griechische Musensohn betörte nicht nur die Menschen, sondern auch Pflanzen und Tiere mit seinen schönen Tönen. Er brachte sogar Felsen zum Weinen und konnte Tote zum Leben erwecken: ein starkes Bild für die Magie der menschlichen Stimme. Ihr Zauber ist bis heute ungebrochen und zieht das Publikum wie kein anderes Instrument in den Bann.

Zu den erfolgreichsten Hörerbeschwörern der Gegenwart gehört der Countertenor Philippe Jaroussky. Dass er eine seiner Aufnahmen "Opium" betitelt hat, kann kein Zufall sein. Denn sein weiches, geschmeidiges Timbre kann einen wirklich süchtig machen. Zum Beispiel bei der Musik von Vivaldi, die ihm besonders gut in der Kehle liegt. Das demonstriert der feingliedrige Franzose sicher auch bei seinem Festivalauftritt im Meldorfer Dom: Gemeinsam mit dem Ensemble Artarserse wird er da in Arien und Motetten des Barockmeisters "Venezianische Kapriolen" schlagen (15.7.). Wenn die Kühe auf der Weide dann zu seinen Koloraturen tanzen, wandelt er definitiv auf Orpheus' Spuren.

Venedig und Vivaldi sind auch Anfang August in Kiel präsent: Da kommt die tschechische Mezzosopranistin Magdalena Kozena in Begleitung des Venice Baroque Orchestra in den Norden. Unter dem Motto "Mio dolce amore" singt sie Liebesarien von Vivaldi und Händel (4.8.). Auch ihre Stimme verfügt über ein großes Verführungspotenzial, mit dem sie nicht nur ihren Ehemann Simon Rattle mühelos um den Finger wickelt.

Einen ganz anderen, sehr viel kräftigeren Zauberstab als ihre Kollegen schwingt Waltraud Meier. Die deutsche Sopranistin ist nicht im barocken, sondern im dramatischen Fach zu Hause. Als große Wagner-Interpretin hat sie schon unzählige Liebes- und Schlaftränke geschluckt oder gebraut. Wenn Meier in Hamburg und Lübeck (13./14.8.) die vier letzten Lieder von Strauss singt, wird sie sicher auch magische Kräfte walten lassen. Auf dass die Felsen weinen. Na ja - oder wenigstens die Konzertbesucher.