Mozarts Singspiel “Zaide“ kommt in der Fassung von Italo Calvino auf die Bühne des Kieler Opernhauses

Mit dem Unvollendeten ist es so eine Sache. Weniges hat die künstlerische Kreativität, die menschliche Neugier, was wäre, wenn, so befeuert. Und dann diese Grabenkriege! Soll man eine Partitur im Stile des Komponisten vervollständigen, wie das Franz Xaver Süßmayr mit Mozarts Requiem gemacht hat - was sich umso mehr als Stückwerk erweisen muss, je genialer das Original ist? Soll man die Finger von der Musik lassen und sie auf offener Bühne abbrechen lassen, wie es oft bei Bachs angeblich letztem Werk geschieht, der Kunst der Fuge? Oder die Partitur gezielt kontrastieren wie Alfred Schnittke bei den paar Originaltakten von Gustav Mahlers frühem Klavierquartett?

Für das Schleswig-Holstein Musik Festival bringt der Regisseur Daniel Karasek Wolfgang Amadeus Mozarts Opernfragment "Zaide" in einer ganz besonderen Fassung auf die Bühne: Aus der Tatsache, dass dem deutschsprachigen Singspiel nicht nur Ouvertüre und Finale, sondern auch die Dialoge fehlen, hat der italienische Schriftsteller Italo Calvino eine Tugend gemacht und den 15 überlieferten Arien und Ensembles eine neue Handlung unterlegt - oder besser mehrere. Calvino erhebt nämlich schon in der Form keinerlei Anspruch auf Richtigkeit: Sein Text schillert förmlich vor Möglichkeiten. Calvino legt sich nicht auf einen bestimmten Schluss fest, sondern bietet immer neue Alternativen an und schmückt seine Erzählung überdies mit Düften, Edelsteinen und reichlich anderem türkischem Kolorit aus.

Die verlangt das Sujet auch. Mit der Geschichte von der schönen Europäerin Zaide im Harem bediente Mozart nämlich den Publikumsgeschmack, der damals dem Orientalismus geradezu hysterisch huldigte: Sultan Soliman liebt die Sklavin Zaide, aber die liebt den ebenfalls europäischen Sklaven Gomatz. Natürlich werden die beiden erwischt, als sie zu fliehen versuchen - Solimans Zorn ist fürchterlich und das Drama perfekt.

Kommt uns irgendwie bekannt vor? Kein Wunder: Mozarts "Entführung aus dem Serail" geht von derselben Grundkonstellation aus. Warum Mozart die "Entführung" vollendete, die Arbeit an dem Singspiel "Zaide" aber abbrach, darüber kann man heute nur noch spekulieren. Nur eins steht fest: An der Qualität der Musik kann es nicht liegen. "Zaide" steckt voller musikalischer Juwelen - nur erklingen sie leider fast nie auf der Opernbühne, sondern allenfalls auf Kompilationseinspielungen und Galaveranstaltungen.

Da ist das Unternehmen in der Kieler Oper ein seltenes Glück für Werk wie Publikum. Für Karasek, Generalintendant des Hauses, wird es ein Heimspiel. Ihm zur Seite steht der renommierte Designer Peter Schmidt, der die Ausstattung übernimmt. Leopold Hager dirigiert das Schleswig-Holstein Festival Kammerorchester.

Zaide 6./7.8. Kiel