Das diesjährige Gastland Türkei verfügt über einen erstaunlichen Reichtum an Pianisten

Wenn heute von türkischen Pianisten die Rede ist, denken Musikliebhaber wohl zuerst an den Überflieger Fazil Say. Vielleicht kommt einem auch noch die ungewöhnlich hohe Quote von klavierspielenden Zwillingsschwestern in den Sinn. Güher und Süher Pekinel etablierten einst die Form des eineiigen Klavierduos; Ferhan und Ferzan Önder setzen diese Tradition fort. Tatsächlich ist die türkische Pianistenszene aber wesentlich reicher. Neben den Promis Say und dem Önder-Doppel stellt das SHMF nun auch zwei bei uns weniger bekannte türkische Tastenkünstler vor.

Stammvater der Kunstmusik in der heutigen Türkei war in vielerlei Hinsicht der Komponist und Pianist Ulvi Cemal Erkin. Als Komponist verband Erkin die Volksmusik seines Landes mit der westlichen Tradition. Außerdem war der 1972 verstorbene Pianist einer der ersten Konzertvirtuosen der Türkei. Erkin selbst hatte am Pariser Conservatoire studiert und leitete ab 1936 die Klavierklasse des neuen Konservatoriums in Ankara. Sein Vorbild scheint in den Lebensläufen der nach 1950 geborenen türkischen Pianistenelite deutlich durch.

Der 1955 geborene Komponist und Pianist Hüseyin Sermet studierte zunächst in Ankara und konnte mit 13 Jahren dank eines Begabtenstipendiums nach Paris gehen. Dort studierte er u. a. Komposition bei Olivier Messiaen. Als Pianist widmet sich Sermet vor allem den Pariser Klaviergöttern: Seine drei CDs mit Werken von Charles-Valentin Alkan gewannen alle einen Diapason d'Or, und seine Einspielung von Liszts h-Moll-Sonate wurde vom Classica Music Magazine unter die vier besten Einspielungen aller Zeiten gewählt. In Ahrensburg spielt Sermet am 16.7. Schumann, Mussorgsky und Liszts h-Moll-Sonate.

Auch die 1954 geborene Grande Dame der türkischen Pianistenszene, Gülsin Onay, studierte zunächst in Ankara und dann am Pariser Conservatoire. Ihr Studium dort schloss sie 16-jährig mit dem "Premier Prix du Piano" ab. Bei ihrem Gastspiel am 25.8. in Kiel wird Onay nun ihr Paradestück, Rachmaninows Drittes Klavierkonzert, spielen. Mit auf dem Programm der NDR Radiophilharmonie unter Rengim Gökmen steht außerdem die "Istanbul-Sinfonie" von Fazil Say.

Bei dem türkischen Vorzeigeklavierduo Ferhan und Ferzan Önder bietet die Vita eine kleine Abwechslung: Die beiden 1965 geborenen Zwillinge studierten zunächst in Ankara und dann in Wien u. a. bei Paul Badura-Skoda. In ihrer 2003 erschienenen CD "1001 Nacht" widmeten sich die Schwestern dem Orient in der Musik: Neben Borodins "Steppenskizzen" und Rimski-Korsakows "Scheherazade" spielten sie Werke zeitgenössischer türkischer Komponisten wie Fazil Say und Kamran Ince ein. Am 31.7. stellen die Önders in Haseldorf ihr 1001-Nacht-Programm vor. Begleitet werden sie dabei vom "Meister der Freien Erzählkunst", Parvis Mamnun. Er lässt in seinen Rezitationen die alte Erzählkunst wieder aufleben, deren schönstes Beispiel die Märchen aus 1001 Nacht sind.

Auch bei einem der Großprojekte dieses Musiksommers sind die Önders mit von der Partie. Als Geschenk zur Geburt ihres ersten Kindes hat Fazil Say für das Ehepaar Martin Grubinger und Ferzan Önder eine Reihe von Variationen über ein Kinderlied für zwei Klaviere und Schlagzeug komponiert. Uraufgeführt wird das Werk am 4.8. in Flensburg. (Neumünster 5.8., 6.8. Hannover) Mit auf dem Programm stehen dann Carl Orffs "Carmina Burana" in einer Fassung für Chor und zwei Klaviere und eine eigens für das Festival geschaffene Bearbeitung von Strawinskys "Sacre du Printemps" für Klavierduo und Schlagzeug.

Als Solistenpaar in Klavierkonzerten kann man das Önder-Duo am 27.7 in Sonderburg und am 28.7. in Kiel hören. Zusammen mit dem japanischen Orchestra Ensemble Kanazawa unter Michiyoshi Inoue spielen sie dann Konzerte für zwei Klaviere von Bach und Poulenc.