Die Geister Asiens leben an der Rothenbaumchaussee

Jeder Asienreisende weiß um die reale Präsenz, die übernatürliche Wesen dort genießen. Modernität und archaischer Geisterglaube, Hightech und Beschwörungsrituale sind in Asien keine Gegensätze. Kein Investor in Hongkong, Singapur oder Taipeh würde es zum Beispiel wagen, ein Hochhaus zu projektieren, ohne dabei einen Geomanten, eine Art Wahrsager, der die Muster der Erde deutet, zu konsultieren. Und die merkwürdigen Löcher und Öffnungen in den riesigen Wolkenkratzern asiatischer Metropolen gehen oft nicht auf die Extravaganz eines ambitionierten Architekten, sondern auf den Rat eines Feng-Shui-Sachverständigen zurück, der genau weiß, dass Drachen oder Geister an diesen Stellen Durchflugschneisen brauchen.

"Götter und Dämonen Asiens" heißt eine Schau im Museum für Völkerkunde, die sich mit einer Fülle kostbarer Objekte den übernatürlichen Wesen des Fernen Ostens widmet. Gezeigt werden ausnahmslos Artefakte aus den eigenen Beständen, die gleichwohl zu einem großen Teil nie zuvor öffentlich präsentiert worden sind. "Wir haben die Objekte aus unserem umfangreichen und wertvollen Asienbestand nicht nach geografischen oder religionswissenschaftlichen, sondern vor allem nach ästhetischen Kriterien angeordnet, um damit ein Gefühl für die Vielfalt und Vielgestaltigkeit der Geister und Götter zu vermitteln. Sie alle sind zum Gegenstand künstlerischer Darstellungen geworden", sagt der Ethnologe Carl Triesch, der zum Kuratorenteam des Museums gehört.

Aber es geht nicht nur um Kunst, denn viele dieser Geister-, Götter- und Dämonendarstellungen sind selbst heilig. Wer zum Beispiel als Europäer nach Thailand reist, wird darauf hingewiesen, dass er Buddha-Darstellungen, sofern es sich nicht um Billigkopien handelt, die man auf Nachtmärkten erwerben kann, grundsätzlich nicht ausführen darf, weil es sich um Objekte der Religionsausübung und eben nicht nur um dekorative Gegenstände handelt.

Die Ausstellung präsentiert ostasiatische Drachen, Dämonenmasken aus Sri Lanka, Schreckfiguren von der Inselgruppe der Nikobaren, indonesische Ahnenfiguren, heilige Kühe aus Indien, aber auch die Darstellung eines christlichen Heiligen von den Philippinen und sogar ein Mao-Plakat aus der Volksrepublik China, wo der Gründer der Kommunistischen Partei zunehmend in religiöser Weise verehrt wird. "Jeder Besucher kann seinen eigenen Zugang zu diesen Wesen und eigene Assoziationen finden", meint Carl Triesch und fügt hinzu: "Damit stimmen wir unser Publikum schon auf unsere großen Ausstellungsprojekte der nächsten Jahre ein, die Korea, Myanmar und dem Buddhismus gewidmet sein werden."

Auffällig ist die enorme Verschiedenartigkeit der Objekte. So sind zum Beispiel recht schlicht gestaltete Holzfiguren aus Sibirien zu sehen, die im dortigen Schamanismus eine große Rolle spielen. Wenn ein Mensch krank ist, geht man davon aus, dass ihn ein Geist befallen hat. Um ihn zu heilen, stehen dem Schamanen zwei Wege offen: Entweder er überredet den Geist, den Kranken zu verlassen, muss ihm aber dafür ersatzweise ein Figur anbieten, in die er "hineinfahren" kann. Oder aber man findet einen stärkeren Geist, der wiederum den Krankheitsgeist vertreibt. Aber auch dieser braucht eine Figur, in der er präsent sein kann.

Im Gegensatz zu diesen archaischen Geisterfiguren sind die chinesischen oder indischen Götterbilder und Buddhastatuen oft von einer enormen Pracht und Formenvielfalt. Hier wird künstlerisches Handwerk in höchster Vollendung in den Dienst von Religion gestellt. Für Europäer sind diese Objekte meist Kunstwerke, die sie vor allem unter ästhetischen Gesichtspunkten betrachten Wer sie verstehen will, muss jedoch ihren "Sitz im Leben" kennen und wissen, was sie für die religiösen Vorstellungen der Menschen von Sibirien bis Indien, von Indonesien bis Japan, von Thailand bis Tibet haben.

Hier gibt die Schau dem Besucher Denkanstöße an die Hand, die verstehen helfen, dass der Gegensatz von Gut und Böse in Asien oft dualistisch verstanden wird: Es gibt gute Geister und böse, manche sind beides zugleich. Immer wieder gibt es Übergänge, die zu Wandlungen führen. Beispiel dafür ist ein kostbares japanisches Rollbild, das eine Prozession der Fuchsgeister zeigt. Sie sehen wie Menschen aus, offenbaren jedoch ihre wahre Fuchsgestalt, sobald sie ins Schattenreich eintreten..

Götter und Dämonen Asiens. Übernatürliche Wesen aus dem Fernen Osten bis 28.8., Museum für Völkerkunde, Rothenbaumchaussee 64, Di-So 10.00-18.00, Do bis 21.00