Das Bucerius Kunst Forum stellt William Turner als Erneuerer der Landschaftsmalerei vor

Wie malt man etwas, was nicht greifbar ist und sich in seinen Formen und Erscheinungen ständig verändert? Dieser Frage ging das Bucerius Kunst Forum bereits 2004 in seiner Ausstellung "Wolkenbilder. Die Entdeckung des Himmels" nach, in deren Zentrum die von naturwissenschaftlichem Erkenntnisdrang geprägte Zeit um 1800 stand. Damals waren auch Wolken-Aquarelle von William Turner (1775-1851) zu sehen, einem Maler, dem die Ausstellungshalle am Rathausmarkt jetzt eine Schau widmet, die die Frage nach der Darstellbarkeit des Elementaren noch grundsätzlicher stellt.

"William Turner. Maler der Elemente" heißt die Ausstellung, die insgesamt 95 Gemälde und Aquarelle aus der Tate Gallery in London sowie britischen, deutschen und amerikanischen Sammlungen vereint. Als "Maler der Elemente" war Turner schon von Zeitgenossen bezeichnet worden, und darin schwang durchaus Irritation mit.

Dabei war der Anspruch des britischen Malers hoch, denn ihm ging es darum, der Landschaftsmalerei, die bis ins frühe 19. Jahrhundert hinein der Historienmalerei nachgeordnet war, zu neuer Bedeutung zu verhelfen. Wenn Turner sich mit den Elementen beschäftigte, griff er auf eine Vorstellung zurück, die noch aus der Antike stammte. Der Philosoph Empedokles hatte sie im fünften vorchristlichen Jahrhundert zu einem umfassenden Welterklärungsmodell formuliert: Alles Seiende lässt sich demnach auf die vier Grundelemente Feuer, Wasser, Erde und Luft zurückführen.

Um 1800 kannte man in der Chemie bereits 30 Elemente, die antike Vier-Elemente-Lehre war längst infrage gestellt. Turner unterhielt durchaus Kontakte zu den führenden britischen Naturwissenschaftlern seiner Zeit. Er sah dennoch in den vier Elementen, die bisher mythologisch aufgeladen waren und stets mit antiken Göttern identifiziert wurden, elementare Kräfte, die miteinander in Beziehung standen. Mithilfe von Energie konnten sie fusionieren - ein Thema, das er immer wieder aufs Neue als darstellerische Herausforderung begriff.

In der Zeit um 1800 war es üblich, dass Künstler die sie umgebende Welt auch mit naturwissenschaftlichem Interesse betrachteten. Caspar David Friedrichs Freund Carl Gustav Carus zum Beispiel beschäftigt sich in einem Traktat über die Landschaftsmalerei mit den Elementen Erde, Wasser und Luft. "Doch William Turner ist der einzige Maler, der sich in einem langen Arbeitsprozess intensiv mit allen vier Elementen auseinandersetzte und auch das Feuer in seine Studien mit einbezog", sagt Ortrud Westheider, Direktorin des Bucerius Kunst Forums, die die Ausstellung gemeinsam mit Inés Richter-Musso kuratiert.

Im Konzept der Schau ist diese Auseinandersetzung klar ablesbar: Das Zentrum des unteren Oktogons bildet eine breite Säule mit quadratischem Grundriss, auf der sich vier Turner-Bilder zu den vier Elementen befinden. Ihnen sind jeweils Räume mit den Themenbereichen Erde, Luft, Wasser und Feuer zugeordnet. Anhand von Skizzen, Aquarellen und Gemälden ist zu sehen, wie Turner sich auf Reisen durch Schottland, Italien, aber auch in die Alpenregionen mit den jeweiligen Themen auseinandergesetzt hat. Dabei hat er die Elemente ihrer Götter entkleidet, sie entmythologisiert und sie - gemäß dem wissenschaftlichen Interesse seiner Zeit - als Träger von Energien erscheinen lassen.

Im oberen Oktogon geht es schließlich um die Fusion, jene bei Turner so faszinierende Vereinigung, die die Motive weitgehend in Farbe und im Atmosphärischen aufzulösen scheint und die Gegenständlichkeit schon beinahe überwindet. Wie weit William Turner hier seiner Zeit voraus war, lässt eine Kritik aus dem Jahr 1844 erahnen, in der es über sein Malverfahren heißt, er lasse "Himmel und Erde, Schiffe und Wellen und den Boden (...) in bunten Strömen ineinanderrinnen". Die Bilder dieser Art sprengten die konventionelle Landschaftsmalerei und markierten bereits einen frühen Vorstoß in Richtung Abstraktion.

William Turner. Maler der Elemente 2.6. bis 11.9., Bucerius Kunst Forum, Rathausmarkt 2, tägl. 11.00-19.00, Do 11.00-21.00