Eine große Ausstellung schildert die Bedeutung der niederländischen Seemacht im 17. Jahrhundert

Als das Segeln noch keine Freizeitkapitäne kannte, war es rau, heroisch, Mythen bildend, kriegsentscheidend und handelbestimmend. Eine große Flotte war der Stolz der Könige und Kaiser, sichtbares Zeichen der Seemächte im zivilen wie im militärischen Bereich. Und zu einer solchen waren die Niederlande in ihrem Goldenen, dem 17. Jahrhundert emporgestiegen. Unvermeidlich resultierte daraus eine gesteigerte Nachfrage nach Darstellungen von Schlachten, Porträts von Schiffen oder dramatischen Seevorfällen. In der Ausstellung "Segeln, was das Zeug hält" präsentiert die Hamburger Kunsthalle ab dem 4. Juni insgesamt 80 niederländische Gemälde des Goldenen Zeitalters, aus eigenen Beständen, aber auch bedeutende Leihgaben unter anderem vom National Maritime Museum in Greenwich/London. Realistisch, aber nicht wahrheitsgetreu, so beurteilt Peter Sigmond, einer der Autoren des Buches zur Ausstellung, die Besonderheit der Seemalerei. Oft stimmen die Details, die Beobachtung an den Schiffen, während das Geschehen, zumal das kriegerische, nicht immer der Wahrheit entspricht. Jedes einzelne Schiff ist akribisch gezeichnet. Überlieferte Einzelheiten wie das Blasen eines Trompeters mitten im Gefecht sind detailgetreu wiedergegeben. Authentizität findet sich vor allem in den Gemälden der beiden Maler van de Velde wieder. Sie zählten zu den wenigen, die die Schiffe selbst studierten und an Kriegszügen beobachtend teilnahmen. Die meisten Maler waren hingegen von den Erzählungen Dritter vom Ablauf der Schlachten und dem Bau der Schiffe abhängig.

Nicht immer aber stimmen Logik und Ablauf der Darstellung, die sich mehr den Wünschen der Auftraggeber als dem realen Ablauf der Ereignisse auf See zu beugen hatte. Seemalerei, ob Schlachten, Porträts oder das Auslaufen zu großer Mission von Handelsschiffen, hatte einen überaus großen emotionalen Stellenwert bei den Niederländern. Das Schicksal der Schiffe, ihr Ausgeliefertsein den rohen Naturgewalten, der Kampf mit dem Feind - im 17. Jahrhundert allen voran die Engländer - sowie der Aufbruch zu neuen Ufern war mehr als nur die Schilderung irgendeines fernen Geschehens. Es war Demonstration von Außen- und Handelspolitik im 17. Jahrhundert, aber auch Einsicht in das Schicksal des Lebens, das sich da vor den Augen der neuen Herrscher der Weltmeere abspielte.

In den ungebändigten Kräften des Meeres konnte sich die "Bedeutungslosigkeit des Menschen und die Allmacht Gottes" offenbaren. Professor Dr. Martina Sitt, Kuratorin der Ausstellung, hebt die Zweigleisigkeit der niederländischen Seestücke hervor: Das vermeintlich dokumentarische Moment in den Bildern soll zugleich "aufgespürt und enthüllt werden, ohne dabei den ästhetischen Gehalt aus den Augen zu verlieren." Oft verschwinden Detailtreue und dokumentarische Akkuratesse hinter dem atmosphärisch-ästhetischen Eindruck. So zeigen die Gemälde unter anderem Schiffe, "die hoch am Wind liegen, obwohl ihnen die Takelage fehlt, oder sich auf einer wenig bewegten Wasseroberfläche mächtig mühen". Geschult an Landschaftsmalern wie Salomon van Ruysdael intensivierten die Maler geschickt in Raumtiefe und Raumerleben, sodass sich beim Betrachter das Gefühl einstellen konnte, sich selbst im Wasser zu befinden. Eine tief liegende Horizontlinie, die geballte Antagonie zwischen der dynamischen See und dem statischen Land sowie der über allem thronende Wolkenhimmel öffneten das Bild hin zum Betrachter.

Die Maler verstanden solch flüchtige Phänomene wie die Wolken mit ihren Techniken adäquat ins Bild zu setzen. Die "Illusion der Himmelsweite" schuf einen Raum, der "die Sinnlichkeit und Anschauungskraft des Betrachters" unmittelbar ansprach und die Schiffe im Kampf gegen den Wind "wie Helden in einer Welt unbegrenzter Möglichkeiten" auftreten ließ. Die Schau wird unterstützt von ECE und Unilever.

Segeln, was das Zeug hält. Niederländische Gemälde des Goldenen Zeitalters 4.6. bis 12.9., Hamburger Kunsthalle, Hubertus-Wald-Forum, Glockengießerwall, Di-So 10-18 Uhr, Do 10-21 Uhr