Als ehrgeiziges architektonisches Projekt ist die Autostadt 2000 gestartet

Ein Ort, an dem Autos abgeholt werden, als touristischer Magnet? Doch, das gibt es. Die Autostadt in Wolfsburg zählt mit mehr als zwei Millionen Gästen im Jahr (2009 waren es 2,21 Millionen) zu den meistbesuchten touristischen Reisezielen in Deutschland. Diese Dimension war nicht unbedingt absehbar, als sie vor zehn Jahren am 1. Juni 2000 eröffnet wurde.

Am Anfang der Autostadt stand eine Idee des damaligen Vorstandsvorsitzenden Ferdinand Piëch. 1994 dachte er über ein neues Auslieferungszentrum für Volkswagen in Niedersachsen nach. Es sollte dem Stammsitz des Unternehmens in Wolfsburg mehr Gewicht verleihen. "Menschen, Autos und was sie bewegt", lautete das angedachte Thema. Die Initiatoren planten einen einzigartigen Service: Der Kunde sollte Einblick in die industrielle Produktion erhalten. Und die Abholung erlebnisreich und emotional inszeniert werden.

Der Mensch und sein Umgang mit dem Automobil, mit dem Thema Mobilität, sollten im Mittelpunkt stehen. Eigentlich hatte sich im 20. Jahrhundert die Stadt der Deutschen liebstem Spielzeug, dem Auto, längst ergeben untergeordnet. Bisweilen in einer fragwürdig verzerrten Perspektive. In der Autostadt kehrt sich das Verhältnis um: Die Autos stecken in aufgetürmten gläsernen Setzkästen, den AutoTürmen. Die Parkanlage gehört den Menschen.

Nach nur zwei Jahren Planung begannen die Arbeiten 1998. Auf dem 25 Hektar großen Gelände eines ehemaligen Kohlehafens für das Kraftwerk des Volkswagenwerks wurde die Autostadt errichtet. Bis zu 1200 Arbeiter gossen Fundamente und errichteten Wände. Um die Gebäude herum entstanden grüne Hügel, bis zu acht Meter hoch. Die Pavillons zu den einzelnen Marken verteilten sich in einer abwechselungsreichen Lagunenlandschaft. In 24 Monaten Bauzeit entstand für 430 Millionen Euro ein großer Themenpark. Zeitgleich mit der Expo in Hannover wurde die Autostadt publikumswirksam in Betrieb genommen.

Die modernen Bauten des Münchner Chefarchitekten Gunter Henn setzen mit ihrer Transparenz ein Gegengewicht zu den vier Kraftwerksschornsteinen. In seiner Konzeption erinnert die Anlage an einen klassischen englischen Garten, in dem sich allerlei Monumente technischer Errungenschaften der Neuzeit verteilen. Drei Großbauten bestimmen das Bild, das kreisförmige Hotel The Ritz-Carlton, die AutoTürme mit dem KundenCenter und das KonzernForum, das wie eine Art Orangerie für einen Schlossgarten fungiert. Dazwischen das ZeitHaus, das besucherstärkste Automobilmuseum weltweit, mit den - Marken übergreifenden - historischen Fahrzeugen.

Der Kanal bildet gleichsam eine maritime Verbindung, über den sich die Fußgängerbrücke vom Hauptbahnhof spannt. "Gebäude, die Bewegung und Abläufe sichtbar machen, entsprechen wahrscheinlich am ehesten der Dynamik eines Autos. Deswegen bauen wir keine Räume, die sich verschließen, sondern sich öffnen und ineinander fließen", sagte Henn 2001. Heute ist die Autostadt ein fester Bestandteil der touristischen Landkarte. 1500 Menschen arbeiten hier, 600 000 Menschen steuern sie jährlich an, um ihr Auto abzuholen, etliche mehr kommen für die facettenreichen Angebote, die Lernworkshops, die Gastronomie und kulturellen Großereignisse. Für manche ist sie vielleicht nur eine Stadt. Unbeteiligt, unbeeindruckt, lässt sie ihre Besucher keinesfalls.