Das Sinfonieorchester des NDR hat jetzt ein festes Standbein in Wismar. Im Mai startet die Konzertreihe in der Kirche St. Georgen

Wismar liegt uns sehr am Herzen. Wismar ist Sendegebiet!", sagt Rolf Beck in fröhlicher Aufbruchsstimmung. Der NDR-Leiter des Bereichs Orchester und Chor wagt ein Experiment: Eine neue Konzertreihe in der St. Georgenkirche. Mit Spannung warten die Musiker des NDR-Sinfonieorchesters auf die Eröffnung. Das Festkonzert am 8. Mai ist gleichzeitig ihr Wismar-Debüt.

"Wir sind eine Vierländeranstalt. In drei Ländern sind wir gut präsent, im vierten gab es Probleme - nicht weil wir dort nicht spielen wollten, sondern weil es keine geeigneten Konzertsäle gab", erklärt Beck. In Hamburg, Lübeck, Kiel und Bremen unterhalten die Musiker eigene Konzertreihen. Im Nordosten war das Orchester zu Ereignissen wie den Festspielen Mecklenburg-Vorpommern oder dem Usedomer Musikfestival eingeladen. Aber ein festes Standbein entwickelt es erst jetzt.

Das erste Konzert dirigiert Maestro Christoph von Dohnányi

Das Eröffnungskonzert am 8. Mai um 18 Uhr hat Christoph von Dohnányi zur Chefsache erklärt. Der Dirigent, der noch bis zum Ende dieser Saison an der Spitze des NDR-Sinfonieorchesters steht, bringt ein stattliches Aufgebot an Sängern mit nach Wismar: Michaela Kaune (Sopran), Janina Baechle (Alt), Klaus Florian Vogt (Tenor), Thomas J. Mayer (Bass), den NDR-Chor und den Rias-Kammerchor. Das Festkonzert wird ein Teil von Dohnányis Beethoven-Zyklus mit sämtlichen Sinfonien des Klassikers. Zum Ende der sechsjährigen Zusammenarbeit des Chefdirigenten mit seinem Orchester soll der Zyklus ein besonderer Höhepunkt werden.

Auf dem Wismarer Programm steht die Neunte mit Schillers "Ode an die Freude", die bei Fest- und Staatsakten immer gern gespielt wird. Der Berliner Dirigent kombiniert das feierliche Werk mit der Achten, die Beethoven eher von seiner humorvollen Seite zeigt. NDR Kultur überträgt den Abend live. Das NDR-Fernsehen zeichnet die neunte Sinfonie auf und sendet sie am Sonntag, 9. Mai um 11 Uhr.

"Ich freue mich sehr auf die Eröffnung. Das wird ein großer Tag - aber kein singuläres Ereignis, sondern der Beginn einer längerfristigen Verbindung", sagt Hörfunkdirektor Joachim Knuth. Seit dem Ende der 90er-Jahre setzt sich der NDR schon für die Georgenkirche ein. Mittel aus dem Rundfunknachlass Mecklenburg-Vorpommern sind in die Renovierung geflossen.

Die große Spendenaktion "Straße der Backsteingotik" bildete 1998 den Auftakt zu dem Engagement des Senders. In Konzerten, auf Weihnachtsmärkten und mit Aufrufen in Rundfunk und Fernsehen sammelte der NDR Spenden für drei Backsteinkirchen in Mecklenburg-Vorpommern: Die Kathedralen St. Jakobi in Stralsund, St. Nikolai in Rostock und St. Georgen in Wismar. Die Initiative sollte dazu beitragen, die Kunst der Backsteingotik im Ostseeraum bekannter zu machen und das Interesse am Erhalt der Gotteshäuser zu fördern. Damals suchte der NDR bereits eine Spielstätte für seine Ensembles.

Der NDR hat die Renovierung seit Langem begleitet. Schließlich brauchen die Musiker nicht nur eine geeignete Akustik zum Spielen, sondern auch Räume zum Umziehen und Platz für die zahlreichen Instrumente. Sie sind durchaus zu Kompromissen bereit und benutzen auch Räume im nahe gelegenen Gemeindehaus. "Die Stadt sorgt nach und nach für die bühnentechnischen Einrichtungen. Wir standen und stehen mit Rat und Tat zur Seite", sagt Joachim Knuth.

Immer wieder ist der Orchestermanager Rolf Beck mit seinen Bühnenmeistern und Vertretern verschiedener Ämter in der Kirche gewesen. Er musste unter anderem entscheiden, wo genau die Musiker sitzen sollen. Das größte Problem in dem hohen, hallenden Raum ist die Überakustik. "Es wird immer ein Kirchenraum bleiben. Mit der Zeit werden wir sehen, was an Repertoire dort geht und was nicht. Die Kirche ist riesengroß, aber wir riskieren es jetzt erst einmal. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt", sagt Beck. "Wir gehen in der nächsten Saison mit sehr prominenten Künstlern nach Wismar."

Konzerte mit den Dirigenten Blomstedt, Zimmermann und Conlon

Vier Konzerte hat das NDR-Sinfonieorchester für die Spielzeit geplant. Frank Peter Zimmermann spielt im Oktober Bartóks Violinkonzert. Herbert Blomstedt dirigiert Anton Bruckners dritte Sinfonie. James Conlon nimmt sich Werke von Benjamin Britten und Dimitri Schostakowitsch vor.

Der Abschluss der ersten Wismarer NDR-Saison mit Brahms, Haydn und Dvorák wird im Juni 2011 gleichzeitig die Eröffnung der Festspiele Mecklenburg-Vorpommern.

"Wir müssen experimentieren. Ob die Kirche für Schostakowitsch geeignet ist, kann man nicht mit einem Simulator feststellen", sagt Rolf Beck. Er hofft, dass seine Musiker die schwierige Akustik in den Griff bekommen.