Ein Bummel durch die historische Altstadt Wismars lohnt schon wegen zahlreicher Baudenkmäler

Die Möwe steht beinahe still am Himmel über dem Alten Hafen von Wismar. Die Sonne bricht durch die Wolken und bringt das Wasser vor der historischen Kogge zum Glitzern. Ein kühler Wind weht aus Nordost. Aber eine Rundfahrt durch den Hafen mit seinen Speichern und Docks oder eine Bootstour zur Insel Poel können warten. In wenigen Schritten hat man die windstillen Gassen der Altstadt erreicht, über den Dächern der alten Bürger- und Kaufmannshäuser locken die Türme der prächtigen Kirchen. Sie sind, wie andere Bauwerke aus vergangenen Zeiten, Zeugnis des früheren Reichtums der Stadt, der inzwischen auch international Anerkennung fand. 2002 waren die historischen Altstädte Stralsund und Wismar in die Unesco-Welterbeliste aufgenommen worden, gerade die 1229 erstmals urkundlich erwähnte Stadt Wismar besticht durch die mit 76 Hektar größte im Ostseeraum erhaltene Altstadt samt Hafenbecken, Wasserlauf und Marktplatz.

Die älteste Straße der Stadt verbindet Vergangenheit und Moderne

Leicht geht es bergauf, bis man in der Lübschen Straße auf die Heilig-Geist-Kirche stößt. Hier, in der ältesten Straße der Stadt, steht neben schönen Giebelhäusern ein Backsteinensemble, das auf besondere Art und Weise Vergangenheit und Moderne verbindet. Bereits Mitte des 13. Jahrhunderts wurde an diesem Ort mit dem Bau einer Kirche begonnen, an die sich später ein Spital anschloss. Im Kircheninneren wandert der Blick über die geschnitzten Gestühlwangen aus der Renaissancezeit zur bemalten Holzdecke, an der auf 26 Medaillons Szenen aus dem Alten Testament abgebildet sind. Zu den Besonderheiten der Kirche gehören außerdem ein mittelalterliches Fresko, in dem 504 Varianten der liturgischen Formel des Deo Gratias zu finden sind, und ein gotisches Glasfenster, das ursprünglich aus St. Marien stammt.

Die Heilig-Geist-Kirche als bekannte Filmkulisse

Viele Menschen werden die Heilig-Geist-Kirche jedoch von woanders herkennen, gehört ihr rosenbestückter Innenhof doch zu den beliebtesten Filmmotiven der Stadt. Schon 1921 wurden hier Szenen des ersten Vampirfilms "Nosferatu" gedreht, heute befindet sich an dieser Stelle die Hauptwache der ZDF-Serie "Soko Wismar".

Ganz anders ist die Georgenkirche, die sich kaum eine Minute entfernt befindet. Die jüngste der drei Wismarer Basiliken wurde gerade restauriert, und auch wenn der Innenraum nun vorrangig für Ausstellungen und Veranstaltungen genutzt wird, bekommt man eine Ahnung davon, wie beeindruckend die Gottesdienste in diesem prächtigen Baudenkmal norddeutscher Backsteingotik gewesen sein müssen.

In der benachbarten Kirche St. Marien - der Weg führt am reich verzierten Fürstenhof vorbei - erfährt man in der Ausstellung "Wege zur Backsteingotik" mehr über die Geschichte und die Bauweise dieser Kirchen. Anschaulich wird in einem zehnminütigen 3D-Animationsfilm mit dem sprechenden Ziegelstein Bruno Backstein gezeigt, wie die technischen Herausforderungen dieser Bauwerke bewältigt wurden. Staunend betrachtet man das mächtige Tretrad auf dem Außengelände, das mit seinen 5,50 Metern Durchmesser verdeutlicht, wie mühevoll Steine im Mittelalter auf Kirchturmhöhe gebracht wurden.

Matjesfilets und Reibekuchen gelten als Spezialitäten in Wismar

Hungrig von der bloßen Vorstellung dieser Kraftanstrengung, bietet sich ein Abstecher in die Breite Straße an, wo wir uns im Restaurant des Hotels Wismar - der Tipp eines Wismarers - mit Matjesfilets und Reibekuchen stärken. Die Geschichte des Gasthauses reicht bis ins Jahr 1562 zurück, hanseatisch-gediegen sitzt man im Gastraum unter und neben großen Schiffsmodellen. Durch die verkehrsberuhigte Krämerstraße geht es zum Rudolph-Karstadt-Platz, wo in der Warenhaus-Filiale eine kleine Ausstellung an die Geschichte des in Wismar gegründeten Konzerns erinnert.

Eine Gasse weiter öffnet sich der Blick auf den Marktplatz, der zu den größten Norddeutschlands gehört. Heute finden hier keine Ritterturniere mehr statt, wie es im Mittelalter der Fall gewesen ist, für Unterhaltung und das leibliche Wohl wird jedoch nach wie vor gesorgt. Restaurants wie der "Alte Schwede", in einem historischen Gebäude aus glasierten Backsteinen, und der "Seestern", mit seiner verspielten Jugendstilbemalung ziehen Besucher und Einheimische an. Der "Alte Schwede" ist übrigens eine der zahlreichen Erinnerungen an die lange Zugehörigkeit der Stadt zum Königreich Schweden.

Im Rathaus befindet sich die wichtigste Ausstellung zur Geschichte Wismars

Auf dem Marktplatz erhebt sich auch die Wasserkunst, eines der Wahrzeichen Wismars, ein kunstvoller Wasserspeicher aus der Zeit der Renaissance. Schräg gegenüber liegt das klassizistische Rathaus, in dessen Keller sich die Ausstellung "Wismar - Bilder einer Stadt" befindet. Da das Stadtmuseum im Schabbellhaus bis 2014 wegen einer Sanierung geschlossen ist, ist dies die wichtigste Ausstellung zur Geschichte Wismars. In dem Kreuzrippengewölbe werden Exponate und ein Stadtmodell präsentiert, in einem Videofilm, einer Dia-Schau und Texttafeln wird die Historie der Stadt bis heute nachgezeichnet, sehenswert ist auch eine Wandmalerei aus dem Mittelalter. - Nun zurück in die Fußgängerzone, wo uns die Geschäfte zum Bummeln einladen. In der Weberstraße 20 erwartet uns das besten Café der Stadt, des Café Glücklich. Das Ambiente ist einladend, die Süßspeisen sind verlockend. Neben einem weißen Kachelofen kann man selbst gemachte Kuchenspezialitäten wie "Schneewittchens Offenbarung" oder "Anne's Downunder Abenteuer" mit Frischkäse und weißer Schokoladenfüllung genießen.

In Wismar stehen die ältesten Renaissancegebäude des Ostseeraums

Einen Glückskeks in der Tasche - "Glück hausgemacht" als Mitbringsel - geht es die ABC-Straße hinunter in Richtung Kanal. Dort befindet sich das Schabbellhaus, das als eines der frühesten Renaissancegebäude des Ostseeraums die Kombination von Backstein und schmückenden Sandsteinelementen zeigt. Die Kirche der Fischer und Seeleute gilt als eines der schönsten Zeugnisse mittelalterlicher Baukunst Norddeutschlands und ist reich an kostbaren Kunstschätzen, von denen vor allem wichtige Wandmalereien, der restaurierte spätbarocke Hochaltar, die Grabplatte der Herzogin Sophie von Mecklenburg sowie das bronzene Teufelsgitter zu nennen sind.

Jetzt geht's aber am Kanal entlang mit einem Blick auf das Wassertor zurück zum Hafen. Wismar ist eine weitere Reise wert, vielleicht sogar zu einem der zahlreichen Festivals wie den Wismarer Hafentagen im Juni.