Hersteller kämpfen zurzeit mit Lieferproblemen wegen neuer Abgasnormen – langfristig haben Benziner und Diesel schwere Zeiten vor sich

    Die Lieferprobleme einiger Autohersteller haben die Pkw-Bestsellerliste im September ordentlich durcheinander­gewirbelt. Gleich neun Führungswechsel in den einzelnen Klassen hat das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) registriert. Vor allem VW hat das Nachsehen.

    Dominierte der Wolfsburger Konzern in den vergangenen Monaten und Jahren die Verkaufscharts, brachte er zuletzt nur noch zwei Modelle auf eine Spitzenposition. Primus in der Kompaktklasse blieb der VW Golf, der mit 7116 Neuzulassungen aber rund 10.000 Einheiten gegenüber dem Vormonat einbüßte. Auch der Kompakt-Van Touran verteidigt Position eins. Die VW-Dauerbestseller Up, Polo, Passat, T-Roc, Tiguan und T6 hingegen mussten die Konkurrenz vorbeiziehen lassen. Bei den Kleinstwagen landete stattdessen der Fiat 500 an der Spitze, bei den Kleinwagen der Opel Corsa und in der Mittelklasse die Mercedes C-Klasse.

    Hoher Bestand an jungen Gebrauchtwagen am Markt

    Meistverkauftes SUV war der Mercedes GLC, bei den Geländewagen lag der BMW X3 vorn. Bei den Nutzfahrzeugen eroberte der Ford Transit/Tourneo das Podium. Die weiteren Klassensiege ­gingen an Mercedes und Fiat: Der CLS ließ die Wettbewerber in der Oberklasse hinter sich, das E-Klasse Coupé dominierte das Sportwagen-Segment, die ­B-Klasse das der Mini-Vans. Fiats Ducato belegte wie gewohnt den ersten Platz bei den Wohnmobil-Basisfahrzeugen.

    Hintergrund der Verwerfungen in der Bestsellerliste sind die Probleme mancher Hersteller bei der Zertifi­zierung ihrer Modelle nach neuen Verbrauchs- und Abgasnormen im WLTP-Standard. Weil sie mit den vorgeschriebenen Messungen nicht nachkommen, sind einige Modelle aktuell nicht lieferbar. Betroffen sind unter anderem einige Varianten der Best­seller VW Golf und Tiguan, diverse BMW-Benziner und Modelle von Audi und Porsche. Volkswagen hat viele vorproduzierte Fahrzeuge auf Großparkplätzen abgestellt, darunter am noch nicht eröffneten neuen Großflughafen in Berlin.

    Obwohl im September lediglich 200.134 Pkw neu zugelassen wurden – 30,5 Prozent weniger als im Vorjahresmonat –, kann der Gebrauchtwagenmarkt nicht vom WLTP-Chaos profitieren. Trotz des gewachsenen Angebots an jungen Gebrauchten sowie der Lieferengpässe bei bestimmten Neuwagen zählte das Kraftfahrt-Bundesamt im September lediglich 575.900 Besitzumschreibungen, zwei Prozent weniger als im Vorjahresmonat. Damit setzt sich der Trend des laufenden Jahres fort: Seit ­Januar wurden knapp 5,5 Millionen ­Gebrauchtwagen erneut zugelassen, was einem Minus von 1,5 Prozent entspricht.

    Der Trend könnte sich noch umkehren: Auf den Höfen der Händler finden sich Tausende neuwertige Gebrauchtwagen, die im Rahmen der WLTP-Einführung vom jeweiligen Hersteller vor September zugelassen werden mussten und nun auf neue Besitzer warten. Gleichzeitig bestehen bei vielen Marken weiterhin Engpässe im Modellangebot, weil noch nicht alle Baureihen und Motorvarianten über eine WLTP-Zertifizierung verfügen, die seit dem 1. September verpflichtend ist.

    Bislang dominieren weltweit noch eindeutig die Verbrenner die Zulassungsstatistiken, doch schon in 10 bis 20 Jahren dürfte das anders aussehen. Zurzeit streiten die EU-Umweltminister darüber, wie stark die CO2-Emissionen in den nächsten Jahren gesenkt werden müssen. Während Deutschland dabei noch für eher moderate Grenzwerte kämpft, sind andere Länder längst bereit, Diesel und Benziner in absehbarer Zeit komplett zu verbieten. So hat nun auch Dänemark einen Verkaufsstopp ab 2030 angekündigt.

    Weltweit gelten die Dänen damit als Frühstarter, nicht aber als Ausnahme, wie eine Studie der Unternehmensberatung Berylls zeigt: In Norwegen soll bereits 2025 Schluss sein mit neuen Verbrennern, die Niederlande terminieren ihren Ausstieg auf 2030, ebenso Irland und Island. Frankreich und Großbritannien haben das Verbot für 2040 angekündigt. Deutschland hingegen zögert noch und nannte bislang erst das Jahr 2050 als Ziel. Auch außerhalb Europas sind die Weichen gestellt: In China und Indien sollen ab 2030 nur noch E-Autos zugelassen werden, in den USA haben verschiedene Staaten ein Verbrennerverbot für 2050 angekündigt. Kalifornien will bereits 2040 keine Autos mit konventionellem Antrieb mehr zulassen. Insgesamt ist von den Verboten ein Neuwagenvolumen von gut 47 Millionen Pkw und leichten Nutzfahrzeugen betroffen, wie die Berylls-Experten berechnet haben – rund die Hälfte der weltweiten Neuzulassungen. Relevante Märkte ohne angekündigten Verkaufsstopp sind unter anderem Japan, Süd­korea, Russland, Südamerika und Afrika.